Aigner M et al. |
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Transkulturelle Unterschiede bei somatoformer Schmerzstörung - eine Vergleichsstudie von Patienten mit Herkunft aus dem ehemaligen Jugoslawien und Österreich Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2006; 7 (2): 38-42 Volltext (PDF) Summary Keywords: Psychiatrie, Schmerz, Studie Transkulturelle Faktoren dürfen bei der somatoformen Schmerzstörung nicht außer acht gelassen werden. Ziel dieser Untersuchung ist es, diese Unterschiede zwischen Patienten aus dem ehemaligen Jugoslawien und Österreich bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung näher zu beschreiben. Methode: In einem Case-Control-Design wurden 25 konsekutive Patienten an der Verhaltensmedizinischen Schmerzambulanz der Universitätsklinik für Psychiatrie, Medizinische Universität Wien, mit "österreichischem" Hintergrund (8 Frauen, Alter: 48,2 ± 10,4 Jahre) mit 25 alters- (± 2 Jahre) und geschlechtsgematchten Patienten aus dem ehemaligen Jugoslawien (8 Frauen, Alter: 48,0 ± 10,0 Jahre) verglichen. Die Untersuchung mittels Schmerzfragebögen und Fragebögen (Beck-Depressionsinventar [BDI], Whiteley-Index, WHO-QoL-Bref) und das strukturierte Interview (SKID-I und SKID-II für DSM-IV) erfolgten in der jeweiligen Muttersprache, d. h. Deutsch bzw. Bosnisch/Kroatisch/Serbisch. Ergebnisse: Die beiden Patientengruppen unterscheiden sich hochsignifikant hinsichtlich ihrer depressiven Symptomatik im BDI (30,4 ± 11,9 vs. 21,1 ± 12,3; p = 0,009). Auch die hypochondrischen Ängste sind in der ex-jugoslawischen Patientengruppe signifikant stärker ausgeprägt. Die Patientengruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien erfüllt zu 100 % die Kriterien einer affektiven Störung, die österreichische Patientengruppe zu 80 % (p = 0,02). Die Patientengruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien weist mit 48 % signifikant häufiger eine posttraumatische Belastungsstörung auf. Hinsichtlich Angststörungen und Substanzabhängigkeit (Alkohol, Nikotin, Sedativa) unterscheiden sich beide Patientengruppen nicht signifikant. Im SKID-II zeigen sich bei der Patientengruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien signifikant häufiger Cluster-A-Störungen (Schizoide/paranoide/ schizotype Persönlichkeitsstörung). Die Lebensqualität ist insgesamt bei beiden Patientengruppen deutlich eingeschränkt. Die psychologische Lebensqualität der ex-jugoslawischen Patientengruppe ist signifikant vermindert gegenüber der österreichischen Patientengruppe. Diskussion: Eine Ursache für die erhöhte Komorbidität im affektiven Bereich dürfte in den erhöhten Raten der posttraumatischen Belastungsstörung in der Patientengruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien zu finden sein. Dies ist sicherlich im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen in Ex-Jugoslawien zu sehen. Im Hinblick auf die Unterschiede in den Cluster-A-Persönlichkeitsstörungen dürfte es aber auch vorbestehende Faktoren geben, die als Vulnerabilitätsfaktoren gesehen werden können. Hier besteht noch Bedarf an weiterer Forschungstätigkeit. |