Fischer B |
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Nachruf Professor Henning Beier Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2021; 18 (3): 114-115 Volltext (PDF) Volltext (HTML) Professor Henning Beier ist gestorbenDie Reproduktionsmedizin in Deutschland hat eines ihrer bekannten Gesichter verloren. Professor Henning M. Beier ist am 11. April 2021 im Alter von 80 Jahren verstorben. Er war ein renommierter Vertreter seines Faches im In- und Ausland. Er war anerkannt für sein profundes Wissen und seine engagierten und sachkundigen Diskussionsbeiträge in Schrift und Wort. Er hat immer über den engeren fachlichen Rahmen hinausgeschaut und sich pointiert zu ethischen Fragen in der Fortpflanzungs- und Stammzellmedizin geäußert. Er war – als klassisch ausgebildeter Embryologe – ein Pionier der ersten Stunde für die embryo-maternalen Interaktionen in der Frühschwangerschaft und für die In-vitro-Kultur. Seine Forschungsschwerpunkte, anfangs in Marburg, später in Aachen, waren die hormonelle Regulation der frühen Schwangerschaft, die Endometriumtransformation und endometriale Sekretion mit dem „window of implantation“ und die frühe Embryonalentwicklung in vivo und in vitro. Uteroglobin wurde von ihm entdeckt und wird mit seinem Namen auf immer verbunden sein. Henning Beier hat sich als ein Forscher verstanden, der sich in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen muss. Mit seiner hohen fachlichen Expertise hat er die öffentlichen und politischen Diskussionen um das Embryonenschutzgesetz (ESchG 1991) und Stammzellgesetz (StZG 2002) maßgeblich mitbestimmt. Die Leser des JRE kennen ihn durch seine regelmäßigen Berichte aus der Zentralen Ethikkommission (ZEK) für Stammzellforschung der Bundesregierung, die einen guten Überblick und eine kenntnisreiche Analyse der aktuellen Stammzellforschung im In- und Ausland ermöglichten. Henning Beier wurde zweimal promoviert, 1967 als Abschluss seines naturwissenschaftlichen Studiums zum Dr. rer. nat. bei Prof. Friedrich Seidel in der Biologie/Embryologie in Marburg (Thema der Dissertation: „Biochemisch-entwicklungsphysiologische Untersuchungen am Proteinmilieu für die Blastozystenentwicklung des Kaninchens [Oryctolagus cuniculus]“) und 1971 zum Dr. med. bei Prof. Gerhard Petry in der Marburger Anatomie (Thema der Dissertation: „Die Pseudogravidität des Kaninchens nach Stimulierung mit Choriongonadotropin“). Dem Medizinstudium und der Promotion schloss sich eine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Anatomie in Kiel an. 1973 habilitierte er bei Prof. Wolfgang Bargmann für die Fächer Anatomie und Reproduktionsbiologie (Titel der Habilitationsschrift: „Die hormonelle Steuerung der Uterussekretion und frühen Embryonalentwicklung des Kaninchens“). Er war Bargmanns letzter Habilitand, worauf er immer mit Stolz und Hochachtung für seinen Mentor hinwies. 1974 wechselte er an die Medizinische Fakultät der RWTH in Aachen, erst als Professor für das Lehr- und Forschungsgebiet Anatomie und für Reproduktionsbiologie, ab 1978 als ordentlicher Professor. Er wurde auf den ersten Lehrstuhl für Anatomie und für Reproduktionsbiologie in Deutschland berufen. In Aachen diente er in verschiedenen akademischen Gremien, u. a. als Dekan und Prodekan der Medizinischen Fakultät von 1986 bis 1992 und als Senator der RWTH. Er war ein beliebter Hochschullehrer. Ein Bonmot unter Aachener Medizin- und Zahnmedizinstudierenden war, dass seine Anatomievorlesungen stets ins Uteruslumen führten. Überregional in Erinnerung bleibt sein Engagement als Fortpflanzungsmediziner u. a. bei der DFG, dem BMBF, dem BMJ, dem BMG, der WHO, der Bundesärztekammer und bei der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als Mitglied der Arbeitsgruppen „Präimplantationsdiagnostik – Auswirkungen einer begrenzten Zulassung in Deutschland“ und „Neue Wege der Stammzellforschung – Reprogrammierung von differenzierten Körperzellen“. Er setzte sich leidenschaftlich für die Novellierung des ESchG und für ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz in Deutschland ein. Seine Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften im In- und Ausland sind so vielfältig wie seine wissenschaftlichen Aktivitäten. Sie reichen vom Schoeller-Junkmann-Preis der DGE (1974), über die Karl Ernst von Baer-Medaille der Estnischen Akademie der Wissenschaften (1992), der Distinguished Scientist Plaque for the Discovery of Uteroglobin des National Institute of Health in Bethesda (2000) bis hin zur Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (2007). Er war Herausgeber und Autor von Büchern, die als „Bibeln“ der Fortpflanzungsbiologie und -medizin gelten, Mitherausgeber von Fachzeitschiften (wie dem Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Reproductive Biomedicine Online, Human Reproduction und Human Reproduction Update) und war an über 300 wissenschaftlichen Publikationen beteiligt. Er hat sich damit ein Denkmal in der internationalen Reproduktionsmedizin gesetzt. Neben den vielen Ämtern und Aufgaben bleibt der Mensch Henning Beier für seine Mitarbeiter, Doktoranden und Habilitanden unvergesslich. Trotz der Vereinnahmung durch die vielen Aufgaben hatte er immer ein offenes Ohr für sie, in beruflichen wie in privaten Dingen. Die Gespräche mit ihm waren gekennzeichnet durch Empathie, persönliche Wertschätzung, Zuneigung und Liebenswürdigkeit – eine Gabe, die ihn als Freund und Chef gleichermaßen auszeichnete. Sein Arbeitstag schien ohne Ende. Aber das bleibt auch in Erinnerung: die vielen Stunden, die seine wissenschaftlichen Mitarbeiter auf dem Stuhl in seinem Vorzimmer verbrachten. Die Uhr in seinem Sekretariat mit durcheinandergewirbelten Uhrzeiten brachte es auf den Punkt. Termine waren nicht seine Stärke. Manuskripte lagen oft quälend lange auf seinem Schreibtisch. Aber sie kamen zurück, bereichert durch seine logischen und konstruktiven Anmerkungen. Henning Beier war gleichermaßen ein warmherziger und verständnisvoller Freund und klassischer Mentor in wissenschaftlichen und akademischen Belangen. Er war ein glühender Familienmensch – auch für seine, wie er stets sagte, „wissenschaftliche Familie“. Wissenschaftliche Leistungen wurden genauso begeistert gefeiert wie Geburten und Geburtstage. Eine wesentliche Stütze und gleichzeitig wissenschaftliche Partnerin war für ihn seine Frau, Dr. med. Karin Beier-Hellwig. Eine Vielzahl gemeinsamer Publikationen und Kongressbesuche verdeutlichen die gleichen wissenschaftlichen Interessen. Der eine war ohne den anderen nicht denkbar. Er lebte und liebte seine Familie; die familiäre und wissenschaftliche Nähe zu seiner Frau war ein Glücksfall für ihn. Henning Beier bleibt unvergessen. Sein Stil, seine Ausstrahlung, sein Humor, sein Lachen, sein Optimismus, seine Kompetenz, sein Charisma haben eine Generation von Reproduktionsmedizinern geprägt. Er half, das Fach in Deutschland wissenschaftlich und klinisch zu etablieren und zu einem international anerkannt hohem Niveau zu führen. Korrespondenzadresse: Prof. em. Dr. med. Dr. agr. Bernd Fischer Institut für Anatomie und Zellbiologie Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg D-06108 Halle (Saale) |