Grausenburger P | ||||||||||||||||
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Echokardiographie aktuell: Seltsame Befunde bei mechanischem Aortenklappenersatz Journal für Kardiologie - Austrian Journal of Cardiology 2008; 15 (3-4): 80-82 Volltext (PDF) Fallbeschreibung Abbildungen mit Filmsequenzen
Keywords: Aortenklappenersatz, Echokardiographie, Elektrokardiogramm Vorgeschichte Eine 59-jährige Patientin ist seit 18 Jahren Trägerin einer mechanischen Aortenklappenprothese (2-Flügel-Prothese). Sie hört seit einem Monat gelegentlich eine Änderung des Klappen-Klickens („Rumpeln, Ausfall“,…), ist dabei sonst beschwerdefrei und sportlich gut belastbar. Sie stellt ihre orale Antikoagulation mittels Coagulocheck selbst ein, die Werte sind in den vergangenen Monaten mit Thrombotest 8–12 % tadellos im Zielbereich. Es gibt keinen Hinweis auf Embolie. Beim niedergelassenen Internisten wird über der Aortenklappenprothese ein mittlerer Gradient von 30 mmHg gemessen, ein unmittelbar postoperativer Gradient ist nicht bekannt. Sie wird zu uns zum tranthorakalen und transösophagealen Herzultraschall zugewiesen. Echokardiographie Im transthorakalen Echo (Film 1) finden sich normal große Herzhöhlen sowie eine gute Linksventrikelfunktion, der Aortenklappenersatz ist kaum beurteilbar, es besteht jedoch der Eindruck einer kleinen, im linksventrikulären Ausflusstrakt flottierenden Struktur. Der mittlere Gradient über der Prothese beträgt 31 mmHg, Vmax 3,8 m/s (Abb. 1). Im Farbdoppler (Film 2) scheint die Klappe meist dicht ohne nennenswerte Aorteninsuffizienz, in einzelnen Herzzyklen jedoch erscheint ein breiter massiver Aorteninsuffizienz-Jet. Zeitlich gut aufgelöst zeigt sich dies auch im Color-M-Mode durch den linksventrikulären Ausflusstrakt (Abb. 2): In der Diastole ist dieser meist frei von Farbe, in manchen Herzzyklen aber unterschiedlich lang durch viel turbulente Farbe (Aorteninsuffizienz- Jets mit unterschiedlicher Zeitdauer) gefüllt. Im CW-Doppler (Abb. 3) zeigt sich teils das normale Bild mit Prothesenschlussartefakt und ohne Aorteninsuffizienz, teils fehlt das Prothesenschlussartefakt und stattdessen kommt ein massiver Aorteninsuffizienz-Jet mit schnellem Geschwindigkeitsabfall als Beweis für eine schwer wirksame Aorteninsuffizienz zum Vorschein. In einer anderen Sequenz (Abb. 4) fehlt initial das Schlussartefakt, es beginnt eine schwere Aorteninsuffizienz, dann kommt in der Mitte der Diastole doch noch ein massives Schlussartefakt und die Aorteninsuffizienz verschwindet. Die Klappe hat sich verspätet doch noch geschlossen. Im M-Mode durch die Mitralsegel (Abb. 5) zeigt sich diastolisch teils eine reguläre Öffnung, in einem Herzzyklus jedoch ist die Mitralklappenöffnung durch den massiven Aorteninsuffizienz-Jet stark behindert; es kommt zu einem hochfrequenten Flattern des vorderen Mitralsegels bei gleichzeitig unzureichender Öffnungsbewegung. In Summe kann hiermit gezeigt werden, dass der Aortenklappenersatz in den meisten Herzzyklen funktioniert, dass aber offenbar manchmal über einen Teil oder die ganze Diastole lang zumindest ein Flügel in der Offenstellung klemmt und damit zu einer massiven Aorteninsuffizienz führt. Dadurch ist erklärt, dass das Klappengeräusch manchmal kurz aussetzt und verändert klingt. Auch der mittlere Gradient über der Prothese ist mit 31 mmHg recht hoch, sodass auch eine gewisse stenotische Komponente mit nicht ganz vollständiger Klappenöffnung vermutet werden muss (postoperativer Ausgangsgradient nicht vorhanden). Schließlich wird noch ein TEE durchgeführt (Film 3); als Befunderweiterung kann hier die von transthorakal nur suspizierte Struktur verifiziert werden, die etwas inhomogen und eher echodicht in den LVOT zurück prolabiert; ein paravalvuläres Leak kann ausgeschlossen werden. Es liegt offenbar eine Prothesendysfunktion vor, die am ehesten aufgrund von Pannusbildung (gut eingestellte OAK, echodichte Struktur im LVOT, langsame Symptomentwicklung) herrührt, aber auch eine Klappenthrombose oder mechanisches Gebrechen kann nicht ausgeschlossen werden. Es wird Kontakt mit der Herzchirurgie aufgenommen, und da die Patientin noch ganz stabil ist (keine Atemnot, C/P nicht gestaut), wird eine Woche später nach Durchführung der Voruntersuchungen (Kardio-CT zum Ausschluss einer KHK, Lungenfunktion etc.) die Reoperation durchgeführt. Es wird ein neuerlicher mechanischer Aortenklappenersatz durchgeführt, im Op-Präparat zeigt sich Pannusbildung. Der Eingriff verläuft problemlos, die Patientin wird schnell rehabilitiert, im postoperativen Ausgangsecho zeigt sich eine regelrechte Prothesenfunktion mit einem mittleren Gradienten von 13 mmHg. Kommentar Die Diagnosestellung bei Dysfunktion mechanischer Herzklappenprothesen ist oft schwierig, da die morphologische Beurteilbarkeit der Metallteile stark eingeschränkt ist und Schallschatten sowie Artefakte das Bild noch zusätzlich verschleiern. Es wird versucht, im TTE und TEE aus verschiedenen Schallfenstern Einblick zu gewinnen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, ob eine Bewegungseinschränkung der Flügel oder ein sichtbarer angelagerter Thrombus/Pannus oder eine Obstruktion vorliegt, eventuell auch ein Ringabszess. Im Farbdoppler werden allfällige Insuffizienzen oder paravalvuläre Leaks erfasst. Die Gradienten über der Prothese werden im CW-Doppler erfasst, ein Anstieg der Vmax oder des mittleren Gradienten zeigt eine Stenosierung. Hier ist es äußerst hilfreich, schon unmittelbar postoperativ Ausgangswerte für den jeweiligen Patienten und seine Klappenprothese zu erheben, da aufgrund von "pressure recovery" oder "undersizing" die Messwerte höher als bei nativen Klappen sein können. Je nach Prothesenmodell ist meist ein mittlerer Gradient von 10–20 mmHg und eine Vmax von 2–3m/s in Aortenposition, ein Gradient von 4–5 mmHg und eine Vmax von 1,6–1,8m/s in Mitralposition zu erwarten. Weiters ist oft eine Röntgendurchleuchtung hilfreich, wo die Flügelbewegung beurteilt werden kann. Klinisch zeigt sich bei Prothesendysfunktion teils eine Änderung des bekannten "Klickens", dieses kann leiser werden, ganz ausfallen oder den Charakter ändern. Es kommt zu Herzinsuffizienz, zu Synkopen, zum Schock (in diesem Stadium mit Mortalität bis 30 %!), bei Prothesenthrombose auch zu zerebralen oder peripheren embolischen Ereignissen. Die Therapie ist naturgemäß abhängig von der Genese der Dysfunktion, oft ist ein weiterer herzchirurgischer Eingriff notwendig, bei Prothesenthrombosen ist oft auch eine Thrombolyse und allfällige Adaptierung des antikoagulatorischen Regimes indiziert. Bei Prothesenobstruktion ist die Unterscheidung zwischen Thrombus und Pannus oft wichtig, da eine Lysetherapie ja nur bei Thrombus möglich ist. Für einen Thrombus spricht eine Anamnese von schlecht eingestellter oder pausierter Antikoagulation, embolische Ereignisse, ein plötzlicher schnell fortschreitender Beginn der Symptomatik; Pannus entwickelt sich auch bei guter durchgehender Antikoagulation und meist langsam. Thromben sollen weniger dicht als Pannus sein, in der Praxis ist aber dieser Unterschied nicht hilfreich. Häufig liegt aber eine Kombination aus Pannus mit aufgelagertem Thrombus vor. Die Echokardiographie ist sicherlich die wichtigste Untersuchungsmethode in der Diagnostik von Prothesendysfunktionen; anhand von TTE und TEE lässt sich die Genese weitgehend eingrenzen, der Schweregrad der Dysfunktion bestimmen, und können entsprechend weitreichende therapeutische Konsequenzen gezogen werden. |