Rösing B, Bauer J |
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Epilepsie und polyzystisches Ovarialsyndrom Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2012; 9 (2): 128-141 Volltext (PDF) Summary Praxisrelevanz Abbildungen Eine aufmerksame Kontrolle bei Frauen mit Epilepsie mit und ohne AED-Therapie im Hinblick auf Veränderungen endokrinologischer, metabolischer oder klinischer Aspekte, die auch beim PCOS auftreten, ist geboten. Gewichtszunahme, Dyslipidämie, Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, Hyperandrogenämie und Hirsutismus, Regeltempostörungen sowie die Einschränkungen der Fertilität sind in dieser Situation wahrscheinlich gehäuft, und therapeutische Maßnahmen bei ihrem Auftreten indiziert. Ob und welche AED diese metabolischen, endokrinen und klinischen Veränderungen bewirken, ist dagegen nicht klar zu beantworten. Die nicht durchdringend verstandene Ätiologie und Pathophysiologie des PCOS in Kombination mit den vagen Angaben zum Auftreten bestimmter Aspekte des Syndroms bei Epilepsie und ihrer Pharmakotherapie erschwert die Zuordnung von Ursache und Wirkung in diesem Kontext. Kategorische Aussagen zum Einsatz oder Ausschluss einzelner Medikamente erscheinen daher voreilig. Die vorangegangene Ausführung zeigt, dass mehrere der gebräuchlichen AED ein endokrines Störpotenzial haben. Nach Absetzen oder Umstellung der antiepileptischen Medikamente sind endokrinologische, metabolische und klinische Aspekte, die auch beim PCOS auftreten rückführbar [126]. Wenn eine endokrine Funktionsstörung erkannt wird, sollten die verordneten AED auf ihre Indikation und das endokrine Störpotenzial überprüft werden, insbesondere in Bezug auf eine induzierte Gewichtssteigerung. Der mögliche Vorteil eines Medikamentenwechsels muss gegen die erreichte Anfallskontrolle und das Nebenwirkungsspektrum der Alternativpräparate abgewogen werden. Die Anpassung einer AED-Therapie muss durch den Neurologen und nicht durch den Gynäkologen erfolgen. Gynäkologischerseits ist eine endokrine Therapie der aufgetretenen Störungen zu erwägen. Maßnahmen wie Ernährungsumstellung und intensivierter Ausdauersport sind risikolos. Zyklusunregelmäßigkeit und hyperandrogene Störungen können mit einem oralen Kontrazeptivum (OC) behandelt werden. Die Wirksamkeit eines OC wird durch enzyminduzierende AED (Abb. 2) reduziert. Insbesondere ist hier der mögliche Verlust der kontrazeptiven Sicherheit zu beachten. Eine Steigerung der OC-Dosis (z. B. die Verdoppelung der Tagesdosis eines monophasichen Präparats) ist, unter Beachtung des thrombogenen Risikos, möglich. Zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen sind bis zur gesicherten Suppression des Follikelwachstums und der zuverlässigen Ovulationskontrolle angezeigt. Eine solche Kontrolle kann über ein sonographisches Zyklusmonitoring und Progesteronbestimmungen in der zweiten Zyklushälfte erfolgen. Ein anfallauslösender Effekt durch neuroaktive Metaboliten der hormonellen Kontrazeptiva ist nicht beschrieben. Allerdings wird die Serumkonzentration einiger AED durch die Einnahme von Estrogenen reduziert. Am deutlichsten ist dieser Effekt bei der Einnahme von Lamotrigin (LTG) in Kombination mit Ethinylestradiol (EE) zu beobachten [131]. Eine Dosissteigerung von LTG um 30–80 % sollte bei gleichzeitiger Estrogenbehandlung mit dem behandelnden Neurologen geplant werden. Eine entsprechende Dosisreduktion ist nach Absetzen der Estrogenbehandlung indiziert. Die EE-induzierte Änderung der Serumkonzentration von LTG findet innerhalb einer Woche statt. Für Gestagene scheint dieser Effekt nicht zu bestehen. Die Anwendung vom Metformin, die beim PCOS als „off-label“-Therapie verbreitet ist, könnte bei Frauen mit schlecht kontrollierter Epilepsie ein zusätzliches Risikopotenzial entfalten. Die Metformin-bedingte Hemmung der hepatischen Glukoneogenese aggraviert eine mögliche anfallsinduzierte Gewebehypoxie mit resultierender Laktatazidose. Klinische Daten sind zu diesem theoretischen Risiko nicht publiziert. Eine wechselseitige Induktion von Metabolisierungseffekten zwischen AED und Metformin ist nicht zu erwarten. Sollte eine Metformintherapie gewählt werden, ist der mögliche fertilitätssteigernde Effekt als Folge der Zyklusregulation zu beachten. Bei einer Kinderwunschbehandlung ist neben dem teratogenen Effekt der AED eine gesteigerte Estrogenserumkonzentration als Folge einer gezielten oder akzidentellen polyfollikulären Stimulation zu bedenken. Sie geht mit einem erhöhten Anfallsrisiko für die Patientin einher, da Estrogene prokonvulsive, neuroaktive Steroide sind. |