Krause und Pachernegg
Verlag für Medizin und Wirtschaft
Artikel   Bilder   Volltext

Mobile Version
A-  |   A  |   A+
Werbung
 
Praxisrelevanz
Aigner M
News-Screen Psychiatrie

Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2025; 26 (1): 22-23

Volltext (PDF)    Praxisrelevanz   

Die randomisierte kontrollierte Studie (RCT) „Longitudinale DNA-Methylierung des Michigan Modells: Infant Mental Health Home Visiting (IMH-HV)“ wird von Rebekah L. Petroff et al. (2024) in der Zeitschrift Brain and Behavior vorgestellt. Es wird aufgezeigt, wie intergenerationale soziale Widrigkeiten und eine psychotherapeutische Intervention die DNA-Methylierung bei Müttern und ihren Säuglingen beeinflussen. Die Forscher rekrutierten 73 Mutter-Kind-Paare mit Kindern im Alter von 0 bis 24 Monaten. Die Teilnehmer wurden entweder der „Infant Mental Health Home Visiting“- (IMH-HV-) Eltern- Kind-Psychotherapie oder der üblichen Behandlung zugewiesen. Über einen Zeitraum von 12 Monaten wurden Daten gesammelt, darunter Selbstauskunftsfragebögen, Speichelproben zur Analyse der DNA-Methylierung, Beobachtungen der häuslichen Umgebung und Videoaufnahmen von Eltern-Kind-Interaktionen. Die DNA-Methylierung wurde an den Genen NR3C1, SLC6A4, BDNF und dem genetischen Element LINE1 gemessen.
NR3C1 (Nuclear Receptor Subfamily 3, Group C, Member 1) ist das Gen, das den Glukokortikoidrezeptor (GR) kodiert. Dieser Rezeptor spielt eine entscheidende Rolle bei der Reaktion des Körpers auf Stress, indem er die Wirkung von Glukokortikoiden wie Kortisol vermittelt. Stress im frühen Leben (z. B. Kindheitstraumata) kann eine DNA-Methylierung von NR3C1 verursachen, was zu langfristigen Veränderungen der Stressreaktivität führt.
LINE1- (L1-) Retrotransposons sind „Long Interspersed Nuclear Elements-1“, eine Art transponierbares Element, das etwa 17 % des menschlichen Genoms ausmacht. Eine veränderte LINE1-Aktivität wird bei Schizophrenie und Depression beobachtet, möglicherweise im Zusammenhang mit Stress und Epigenetik. Diese LINE1-Veränderungen könnten frühe „Adverse Events“ mit einem höheren Risiko für psychische Störungen verbinden.
SLC6A4 (Solute Carrier Family 6 Member 4) ist das Gen, das den Serotonintransporter (SERT) kodiert, der für die Wiederaufnahme von Serotonin (5-HT) aus dem synaptischen Spalt zurück in die Neuronen verantwortlich ist. Dieses Gen spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Serotoninspiegels im Gehirn und ist ein Schlüsselfaktor bei Stimmungs-, Emotions- und psychiatrischen Störungen.
BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) ist ein Protein, das eine entscheidende Rolle bei der Gehirnfunktion spielt, insbesondere beim Lernen, Gedächtnis und der psychischen Gesundheit.
Bei Müttern wurden keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Basismethylierung der untersuchten Gene und Faktoren wie eigener Kindheitserfahrungen, aktuellen Lebensereignissen oder demografischen Merkmalen festgestellt.
Bei Säuglingen deutete die Studie darauf hin, dass die Methylierung von SLC6A4 und LINE1 mit den Einstellungen der Elternschaft assoziiert war. Zudem zeigte die Methylierung des BDNFGens eine Abnahme über die 12 Monate hinweg in Reaktion auf die IMH-HV-Psychotherapie. Diese Studie liefert wertvolle Einblicke in die potenziellen epigenetischen Auswirkungen früher Lebensbedingungen und elterlicher Interventionen auf die DNA-Methylierung bei Säuglingen.
Die Verwendung eines randomisierten kontrollierten Designs stärkt die Aussagekraft der Ergebnisse. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Stichprobengröße relativ klein war, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte. Zudem wurden die Daten hauptsächlich in einer spezifischen geografischen Region erhoben, was kulturelle und soziale Unterschiede möglicherweise unberücksichtigt lässt.
Insgesamt unterstreicht die Studie die Bedeutung früher Interventionen und deren potenziellen Auswirkungen auf die epigenetische Entwicklung von Kindern, insbesondere in Kontexten intergenerationaler sozialer Widrigkeiten.
 
copyright © 2000–2025 Krause & Pachernegg GmbH | Sitemap | Datenschutz | Impressum
 
Werbung