Frommel M |
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Deutscher Mittelweg in der Anwendung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) mit einer an den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand orientierten Auslegung der für die Reproduktionsmedizin zentralen Vorschrift des § 1, Abs. 1, Nr. 5 ESchG Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2007; 4 (1): 27-33 Volltext (PDF) Summary Keywords: Embryonenschutzgesetz, ESchG, Ethik, Recht, Reproduktionsmedizin Das ESchG gilt als sehr restriktiv. Die genauere Analyse zeigt aber, daß dies wesentlich damit zusammenhängt, daß naheliegende Auslegungsspielräume nicht genutzt werden, was wiederum mit interdisziplinären Verständigungsproblemen zu tun hat. Ärzte haben mit den Formulierungen in den verschiedenen Bestimmungen des § 1 ESchG Verständnisprobleme, da dort von "befruchteten Eizellen" die Rede ist, Juristen hingegen kennen die reproduktionsbiologischen Gegebenheiten zu wenig und konfundieren bisweilen die im Gesetz unterschiedenen Entwicklungsstadien der unter Befruchtung stehenden Eizellen. Diese unzureichende Differenzierung behinderte in der Vergangenheit eine angemessene Rekonstruktion des historischen Willens der Gesetzgebung und eine teleologische Auslegung des ESchG mit Blick auf den gegenwärtigen Forschungsstand. Auch in den Richtlinien der BÄK 2006 wird noch immer § 1, Abs. 1, Nr. 5 ESchG, welche die Gewinnung von befruchteten Eizellen regelt, und die Nr. 3, welche den Transfer regelt, als untrennbare Einheit gelesen mit der Folge, daß die starre Quote der Nr. 3 in die bewußt offen formulierte Nr. 5 hineingelesen wird. Demgegenüber wird hier gezeigt, daß der historische Gesetzgeber bereits 1991 zwischen einer unter Befruchtung stehenden Eizelle, der Erzeugung eines Embryos und seinem Transfer unterscheidet. Die Objekte von § 1, Abs. 1, Nr. 5 und Nr. 3 ESchG sind daher nicht identisch und beide Bestimmungen regeln Maßstäbe in verschiedenen Entscheidungsebenen, der Gewinnung von Embryonen einerseits und dem Transfer von geeigneten Embryonen andererseits. Der hier vorgestellte Mittelweg untermauert juristisch den von Geisthövel auf vier Ebenen dargestellten und im folgenden erneut abgedruckten Algorithmus und zeigt, daß die in etwa zum selben Ergebnis gelangende Kommentierung des ESchG von Günther methodisch sehr gut abgesichert werden kann. Danach ist die nach dem verfügbaren Erfahrungswissen mögliche Identifikation der Entwicklungsfähigkeit von unter Befruchtung stehenden Eizellen (2-PN-Zellen) und befruchteten Eizellen (Embryonen) und damit eine eingeschränkte Auswahl de lege lata zulässig. Eine Angleichung an die liberalen Regelungen anderer Länder, die einen eSET zulassen, ist aber wohl nur de lege ferenda zulässig. |