Michelmann HW, Himmel W |
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Das Machbare erwägen - aber das Vertretbare tun: Zur Problematik des Reproduktionstourismus Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2007; 4 (3): 118-123 Volltext (PDF) Summary Keywords: Biologie, Embryologie, Embryonenschutzgesetz, ESchG, Reproduktionsmedizin In Deutschland hat sich, parallel zur steigenden Kinderlosigkeit, die Reproduktionsmedizin etabliert, die mittlerweile zu 2,6 % aller Geburten beiträgt. Ihre Anwendung ist durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG) seit 1991 limitiert, so daß unter der bisherigen Auslegung – anders als im Ausland – Labormethoden wie die selektive Embryokultur nicht erlaubt sind. Zu fragen ist, ob diese bisher streng praktizierten Einschränkungen zu rechtfertigen sind und wie der daraus resultierende "Reproduktionstourismus" zu bewerten ist. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer IVF/ICSI-Behandlung ist die Qualität der transferierten Embryonen, die besonders effektiv im Rahmen der selektiven Embryokultur bewertet werden kann. Alternativen zu diesem Verfahren sind bisher nur bedingt verfügbar und auch nur bedingt aussagefähig. Allerdings ist bisher auch nicht überzeugend nachgewiesen worden, daß ein Embryotransfer nach Blastozystenkultur dem üblichen Embryotransfer am Tag 2 oder 3 hinsichtlich der folgenden Schwangerschaftsrate überlegen ist. In Deutschland werden durch die Einhaltung hoher Qualitätsstandards auch ohne die selektive Embryokultur im Durchschnitt Schwangerschaftsraten von 34 % in der Altersgruppe bis 36 Jahren und sogar 37–41 % bei den unter 30jährigen erzielt. Daher ist das Angebot einer selektiven Embryokultur und des Blastozystentransfers im Ausland, derzeit zumindest, keine empfehlenswerte Alternative. Hinzu kommt, daß im Ausland die Qualität medizinischer Betreuung nicht immer gewährleistet und objektiv überprüfbar sowie die finanzielle Belastung für die Paare hoch ist. Auch könnte die Berechnung der Erfolgsquoten einer Kinderwunschbehandlung, sowohl im Ausland als auch in Deutschland, zu einem falschen Bild der Qualität der Behandlung beitragen. "Erfolg" sollte in Zukunft als Rate geborener Einlinge pro Behandlungsserie bzw. pro therapeutischem Zeitfenster ausgedrückt werden. Dieses Kriterium sollte Patienten und Paaren als Maßstab für die Auswahl eines Kinderwunschzentrums vermittelt werden. Parallel dazu müßten zumindest wissenschaftliche Untersuchungen zur selektiven Embryokultur auch in Deutschland gestattet werden, um durch den Single-Embryo-Transfer (SET) nicht nur die Mehrlingsrate signifikant zu senken, sondern auch um zu prüfen, ob dadurch die "Baby take home"-Rate zu steigern ist. |