1×1 der Notfallkontrazeption anhand von Fallbeispielen
T. Rabe1, E. Merkle2, C. Albring3
Arbeitskreis „Notfallkontrazeption“: J. Bitzer4, C. Egarter5, B. Hinney6, K. König7, G. Merki-Feld8, N. Sänger9, A. Schüring10, B. Toth11, M. Ziller12
Eingegangen: 28. Juni 2016; akzeptiert nach Revision: 28. Dezember 2016 (verantwortlicher Rubrik-Herausgeber: Prof. Dr. W. Würfel, München)
Aus: 1DGGEF; 2Bad Reichenhall; 3Berufsverband der Frauenärzte e. V., Hannover; 4Basel, CH; 5Abt. f. Gyn. Endokrinologie u. Reproduktionsmedizin, Medizinische Universität Wien, A; 6Universitäts-Frauenklinik Göttingen; 7Berufsverband der Frauenärzte, Steinbach/Ts; 8Klinik für Reproduktions-Endokrinologie, Zürich, CH; 9Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt/Main; 10Kinderwunschzentrum, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster; 11Universitäts-Frauenklinik Heidelberg; 12Ordination Medizin Marburg Mitte, Marburg
Alle Links zuletzt gesehen: 8. Februar 2017
Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Thomas Rabe, D-69120 Heidelberg, Ludolf-Krehl-Straße 56; E-Mail: thomas_rabe@yahoo.de
Nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder nach Versagen der genutzten, vermeintlich sicheren Kontrazeptionsmethode (z. B. Falschanwendung des Kondoms) ist die postkoitale Kontrazeption zur Vermeidung des Schwangerschaftseintritts sinnvoll. Gerade bei jungen Frauen und Frauen mit risikoreichem sexuellem Verhalten bietet die postkoitale Kontrazeption Möglichkeiten, eventuelle körperliche und soziale Probleme durch eine ungeplante und ungewollte Schwangerschaft zu vermindern. In diesem Beitrag werden die derzeit zur Verfügung stehenden unterschiedlichen kontrazeptiven Methoden (d. h. Ulipristalacetat 30 mg und Levonorgestrel 1,5 mg als Einzeldosis oral) und deren Wirkungsmechanismus und kontrazeptive Sicherheit vorgestellt und in verschiedenen Falldarstellungen Vorschläge zu deren Anwendung gegeben. Seit 2014 ist die hormonelle Notfallkontrazeption in fast allen europäischen Ländern ohne Verschreibung durch den Arzt in den Apotheken frei verfügbar. Auch auf spezielle Situationen, in denen der Apotheker die Patientin an einen Frauenarzt überweisen sollte, wird in diesem Kapitel eingegangen.
Schlüsselwörter: Notfallkontrazeption, Fallberichte, Ulipristalacetat, Levonorgestrel, Wirkmechanismus, kranke Patienten.
The Basics of Emergency Contraception by means of typical cases. After unprotected sexual intercourse or after failure of the supposedly safe contraceptive method (for example, incorrect application of the condom), postcoital contraception is useful for avoiding pregnancy. Especially in young women and risky sexual behavior, the postcoital contraception offers opportunities to reduce possible physical and social problems following an unplanned and unwanted pregnancy. In this paper, the different contraceptive methods currently available (i.e., ulipristal acetate 30 mg and levonorgestrel 1.5 mg oral single dose) and their mechanism of action and contraceptive safety are presented and suggested in various cases. Since 2014, hormonal emergency contraception has been freely available in almost all European countries without prescription by pharmacists. Specific situations in which the pharmacist should refer the patient to a gynecologist is also included in this chapter. J Reproduktionsmed Endokrinol_Online 2017; 14 (2): 57–74.
Key words: emergency contraception, postcoital contraception, case reports, ulipristal acetate, levonorgestrel, mode of action, efficacy, patients with medical conditions.
Abkürzungen:
OC: Orale Kontrazeptiva
EUG: Extrauteringravidität
Cu-IUD: Kupferspirale
LH: Luteinisierendes Hormon
Einleitung
In dieser Veröffentlichung werden unterschiedliche Kasuistiken zur postkoitalen Kontrazeption zusammengestellt, die eine Beratung durch den Frauenarzt erfordern. Das Wording der Fallvorstellung erfolgt aus Sicht der Patientin. Zusätzlich wird bei den einzelnen Kasuistiken der wissenschaftliche Hintergrund beschrieben und es werden aktuelle Studienergebnisse dargestellt.
Die Empfehlungen sind allgemeiner Natur und können nicht die individuelle Beratung durch den Frauenarzt/die Frauenärztin ersetzen.
Es ist durchaus denkbar, dass sich die Patientin entscheidet, keine postkoitale Kontrazeption durchzuführen und eine ungeplante Schwangerschaft zu akzeptieren.
Unabhängig von der Frage der ungewollten Schwangerschaft ist im Einzelfall das Risiko für die Übertragung einer sexuell übertragbaren Erkrankung anzusprechen. Auch die zukünftige Kontrazeption, die Notwendigkeit von Krebsvorsorgeuntersuchungen und der Hinweis auf die Bedeutung einer HPV-Impfung sollten thematisiert werden.
Einen Vergleich der derzeit auf dem Markt verfügbaren hormonellen Methoden zur Notfallkontrazeption mit Levonorgestrel bzw. Ulipristalacetat zeigt Tabelle 1. Die hierin enthaltenen Angaben zur kontrazeptiven Sicherheit beruhen auf einer Studie von Glasier et al. [1].
Ausführlichere Literatur findet sich bei Rabe und Albring [2–5] in der „Checkliste zur Notfallkontrazeption“.
Ist der Einsatz der Postkoitalpille bei ungeschütztem Verkehr
in der 2. Zyklushälfte erforderlich?
Fallbeispiel 1
19-jährige Studentin mit weitgehend regelmäßigem Zyklus ohne sichere Kontrazeption. Am 22. Zyklustag nach Discobesuch unerwartet GV. Hierbei kam es zu einem Kondomversagen. Die Patientin fragt, ob eine „Pille danach“ sinnvoll ist.
Die höchste Wahrscheinlichkeit des Eisprungs liegt bei einem regelmäßigen 28-tägigen Zyklus in der Zyklusmitte (ca. 13.–14. Zyklustag) (Abb. 1). Eine Studie zu 724 Zyklen von 217 Frauen hat gezeigt, dass bei lediglich 12 % der Eisprung tatsächlich am Tag 14 des Zyklus stattfindet und insgesamt eine weite Streuung zu beobachten ist [6]. Bei unregelmäßigen Zyklen, insbesondere bei verlängerten Zyklen, sind sog. Spätovulationen möglich. Die Wahrscheinlichkeit von Spätovulationen in einem durchschnittlichen Bevölkerungskollektiv beträgt zwar < 10 % der Fälle, ist aber möglich. Daher ist auch am 22. Zyklustag noch eine Ovulation denkbar und die Einnahme der „Pille danach“ sicherlich zu empfehlen. Mit Sicherheit ist das Auftreten einer Ovulation nie auszuschließen, da das fruchtbare Fenster stark variieren kann [7].
Es wurde diskutiert, das Management der Postkoitalpille bei Zyklusmonitoring zu verändern. So könnte direkt nach Ansteigen der Aufwachtemperatur auf diese Maßnahme verzichtet werden. Dies ist problematisch, da ein Temperaturanstieg auch durch andere Faktoren (subfebrile Temperaturen, unregelmäßiges Messen der Temperatur etc.) möglich ist. Dieses Vorgehen wird daher nicht als zuverlässig eingestuft.
In diesem Fall ist die Beratung zum Kupfer-IUD eine Alternative, da dieses postovulatorisch über Fertilitäts- und Nidationshemmung wirken kann.
Über das fertile Fenster, d. h. die Überlebenszeit der Spermien im zervikalen Mukus, gibt es wenige Studien. Wilcox et al. [8] haben in einer Studie mit 625 Zyklen und 192 Schwangerschaften eine Dauer des fertilen Fensters von 5 Tagen beobachtet. Hierauf beziehen sich die Überlegungen zur Wirkung der Notfallkontrazeptiva in dieser Arbeit.
Im Hinblick auf die Beurteilung der Zyklusphase besteht die Möglichkeit einer vaginalen Ultraschalluntersuchung zum – unsicheren – Nachweis einer stattgefundenen Ovulation durch Aszites im Douglas (in diesem Fall wäre ein IUP indiziert). Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung sind im Zusammenhang mit der Zyklusanamnese zu sehen. Allerdings ist die Entscheidung, der Patientin, anhand der Zyklusanamnese bzw. der Ultraschallergebnisse, möglicherweise die „Pille danach“ vorzuenthalten, sehr umstritten. Die meisten plädieren für die Gabe der Präparate, da eine ungewollte Schwangerschaft durch Vorenthaltung der Medikation erhebliche juristische Probleme mit sich bringen könnte.
Frage nach Wirkmechanismus der Postkoitalpillen und Ablehnung einer postkoitalen Kontrazeption mit abortiver Wirkung
Fallbeispiel 2
28-jährige Patientin mit 2 Kindern (2 und 5 Jahre), regelmäßiger Zyklus, keine hormonale Kontrazeption. Gestern GV zur Zyklusmitte, hierbei sei das Kondom verrutscht. Das Paar wünscht derzeit kein weiteres Kind. Eine Abtreibung kommt für die Patientin in keinem Fall in Frage. Patientin fragt, ob die „Pille danach“ bei bereits eingetretener Befruchtung ungeborenes Leben gefährden könnte.
Der Wirkmechanismus der „Pille danach“ besteht in der Hemmung/Verschiebung der Ovulation. Diskutierte postovulatorische Effekte bei beiden verfügbaren Wirkstoffen Levonorgestrel (1,5 mg) und Ulipristalacetat (30 mg) sind unwahrscheinlich, da unter beiden Wirkstoffen Schwangerschaften bei postkoitaler Anwendung beobachtet wurden. Unterschiede gibt es zwischen dem Ulipristalacetat-haltigen Medikament (ellaOne®) und den Levonorgestrel-haltigen Präparaten (PiDaNa®, Postinor®, LevonorAristo®) hinsichtlich des Wirkfensters, bezogen auf das Level des luteinisierenden Hormons (LH).
Die Wirkung beider hormoneller Methoden der Notfallkontrazeption mit Ulipristalacetat und Levonorgestrel besteht in der Hemmung der Follikelreifung und somit einer Verzögerung der Ovulation durch Unterdrückung des LH-Peaks. Im Gegensatz zu Ulipristalacetat kann Levonorgestrel bei bereits ansteigendem LH-Spiegel die Ovulation nicht mehr unterdrücken. Ulipristalacetat hingegen kann bei bereits ansteigendem LH-Spiegel und einer Follikelgröße von ? 18 mm die Ovulation noch verschieben [9] (Abb. 2, 3). Die verzögerte Ovulation erfolgt etwa 5 Tage später. Dies ist ausreichend, um das fertile Fenster zu schließen, da die Spermien im weiblichen Genitaltrakt (d. h. Uterus und Tuben) nur eine maximale Überlebenszeit von bis zu 5 Tagen haben [8].
In-vitro-Studien belegen, dass weder Levonorgestrel 1,5 mg noch Ulipristalacetat 30 mg in der zugelassenen Dosis und bei einmaliger Gabe implantationshemmend oder abortiv wirken. Die implantierten Embryonen wurden in diesen Studien nicht negativ beeinflusst [10, 11] (Abb. 4).
Schwangerschaftsmeldungen unter beiden Wirkstoffen sprechen gegen abortive Effekte der „Pille danach“.
Wie bei jedem Steroidhormon mit gestagener (Partial-) Wirkung (auch UPA wirkt als SPRM agonistisch und antagonistisch) sind bei höheren Dosierungen Endometriumwirkungen, Wirkungen auf die Implantation, aber auch abortive Wirkung auf eine Frühschwangerschaft, nicht ausgeschlossen (bei UPA gibt es hierzu Tierversuche, wobei die Substanz in hoher Dosierung eingesetzt wurde). Beim Menschen gibt es keinerlei Hinweise auf eine solche Wirkung [10, 12–14].
„Pille danach“ bei jungen Mädchen in Abhängigkeit vom Lebensalter
Fallbeispiel 3
13-jährige Patientin mit festem Freund seit ½ Jahr. Beide wollten mit dem ersten Verkehr noch etwas warten. Dennoch kam es einen Tag vor der Konsultation des Frauenarztes zum ungeschützten Verkehr. Die letzte Periode war vor 12 Tagen. Der Zyklus ist unregelmäßig. Die Patientin hatte sich bereits einige Zeit vorher, zusammen mit ihrer Mutter, bei ihrem Frauenarzt vorgestellt, da sie die Pille wollte. Nach ausführlichem Gespräch sollte sie diese ab dem 14. Lebensjahr erhalten, da sie zum Zeitpunkt der Vorstellung noch keinen festen Freund hatte.
Der Anteil von jungen Mädchen, die in einem Alter unter 14 Jahren nach einer Notfallkontrazeption fragen, lag bei einer IMS-Analyse (2002–2011) bei ca. 2 %. In der Altersgruppe der 15–17-Jährigen sind es bereits 15 %.
Im Jahr 2016 gab es in Deutschland insgesamt 98.721 Schwangerschaftsabbrüche, davon 3,1 % bei Minderjährigen [15].
Aufklärung und Einverständnis nach Lebensalter der Patientin
Brauchen Minderjährige die Zustimmung ihrer Eltern, um die „Pille danach“ zu bekommen?
Der juristische Hintergrund für die Kontrazeptionsberatung Jugendlicher wird in der aktuellen Stellungnahme der AG Medizinrecht [16] in einer im Frauenarzt 2005 veröffentlichten Serie zum Thema „Mädchensprechstunde“ [17–20], in der Ärzte Zeitung [21] und im Frauenarzt 2011 [22, 23] dargelegt. In diesen Publikationen wird jeweils ausdrücklich ausgeführt, dass es keine festen Altersgrenzen gibt, sondern individuell die Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen zu beurteilen ist. Dies ist sowohl vom Arzt als auch vom Apotheker zu beachten.
12–14-Jährige: Wie bei der herkömmlichen Pille benötigen Mädchen < 14 Jahren aus rechtlichen Gründen auch bei der „Pille danach“ die Zustimmung ihrer Eltern. In der Notfallsituation „ungeschützter Verkehr“ ist der Arzt zwar juristisch verpflichtet, die Eltern mit in den Entscheidungsprozess einzubinden, aber das höhere Rechtsgut ist der „Schutz der Gesundheit der Jugendlichen“. Der Arzt sollte die Einwilligungsfähigkeit, den Entwicklungsstand und die spezielle Notsituation der Jugendlichen überprüfen und seine Einschätzung dokumentieren.
Da die Gesundheit des jungen Mädchens das höhere Rechtsgut ist, sollte die „Pille danach“ 12–14-Jährigen nicht verweigert werden; eine eindeutige Rechtssprechung diesbezüglich fehlt.
Anders ist die Beratung und Einlage eines Kupfer-IUDs – diese sollte nur im Ausnahmefall mit Einverständnis eines Erziehungsberechtigten erfolgen.
14–16-Jährige: Ab 14 Jahren liegt es im Ermessen des Arztes, ein Rezept auszustellen. Im Zweifelsfall sollte den Jugendlichen die „Pille danach“ nicht vorenthalten werden, zumal diese in der Apotheke frei verfügbar ist.
16–18-Jährige: Im Allgemeinen bestehen keine Probleme, ein Rezept für die „Pille danach“ zu erhalten.
Kostenübernahme: Bis zum vollendeten 20. Lebensjahr tragen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Notfallkontrazeption, allerdings nur, sofern der Arzt ein Rezept ausstellt, nicht jedoch, wenn sich die Patientin das Präparat ohne Verordnung in der Apotheke besorgt. Bis zum 18. Geburtstag entfällt für die Patientin die Rezeptgebühr. Alle gesetzlich Versicherten (egal ob familien- oder selbst versichert) müssen ab dem 18. Lebensjahr die Rezeptgebühr bezahlen. Ab dem 20. Geburtstag ist das Rezept nur noch privat erhältlich.
Levonorgestrel-Methode: Keine Alterseinschränkung (Anm.: Allerdings auch keine Zulassungsstudien bei Frauen < 18 Jahren).
Ulipristal-Methode: „Die Anwendungsbeobachtung nach der Marktzulassung zur Auswertung der Wirksamkeit und Sicherheit von ellaOne® bei Jugendlichen im Alter von 17 Jahren oder jünger zeigte keine Unterschiede im Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil im Vergleich zu erwachsenen Frauen im Alter von 18 Jahren oder älter.“ [24]
„Spirale danach“: Diese Methode ist < 18 (16) Jahren nicht zu empfehlen und sollte nur im Ausnahmefall, z. B. bei Notwendigkeit der Implantationshemmung nach erfolgter Ovulation, in Betracht gezogen werden.
„Pille danach“ aufgrund fehlerhafter Anwendung des oralen Kontrazeptivums
Fallbeispiel 4
32-jährige Patientin, bisher noch keine Schwangerschaften, nimmt regelmäßig die Pille. Im Umzugsstress hatte die Patientin in den letzten beiden Tagen 2 Pillen vergessen. Vorgestern hatte sie mit ihrem Partner Geschlechtsverkehr. Patientin nimmt eine Mikropille und befindet sich in der ersten Einnahmewoche. Wie würden Sie das Risiko, dass die Patientin schwanger wird, beurteilen und würden Sie eine „Pille danach“ verordnen?
Das Vorgehen beim Vergessen von Pillen während des Einnahmezyklus hängt ab von:
1) Art des Präparates (Kombinationspräparat, Gestagenpräparat mit/ohne Ovulationshemmung, Mehrphasenpille (z. B. Qlaira®)
2) Zeitpunkt im Einnahmezyklus, an dem eine oder mehrere Pillen vergessen wurden
3) Anzahl der vergessenen Pillen.
Wichtig ist, immer die Fachinformation zu beachten!
Allgemeine Hinweise
1. Das größte Sicherheitsrisiko stellt eine Verlängerung der Einnahmepause (= verspätete Einnahme der ersten Pille des nächsten Blisters) dar. Die kontrazeptive Sicherheit ist nur bei einer Pause von 4–7 Tagen (je nach Präparat) gewährleistet. Ein Verkürzen der Pause oder die kontinuierliche Einnahme der Pille ohne Pause ist im Gegensatz hierzu im Hinblick auf die Kontrazeption problemlos möglich („off label“). Einnahmefehler nach der Pillenpause (oder dem hormonfreien Intervall bei Einnahme von Placebotabletten) stellen das größte Sicherheitsrisiko dar.
2. OC-Einnahme um bis zu 12 (bzw. 24) Stunden vergessen (= 1 Tablette): Die vergessene Tablette kann innerhalb von 12 (bzw. 24) Stunden nach dem geplanten Einnahmezeitpunkt eingenommen werden, ohne dass der Empfängnisschutz beeinträchtigt wird. Die vergessene Einnahme sollte so schnell wie möglich nachgeholt werden, auch wenn dies bedeutet, dass an einem Tag 2 Dragees eingenommen werden. Hierdurch werden sehr schnell wieder normal hohe Wirkspiegel erreicht (Qlaira®: 12 Stunden; Zoely® und YAZ®: 24 Stunden). Die anderen Kombinationspräparate sowie die Gestagenpille mit Ovulationshemmung haben ein 12-Stunden-Fenster.
3. OC-Einnahme um > 12–48 Stunden vergessen (= 2 Tabletten): „Pille danach“, Kondom bis Einsetzen der Menstruationsblutung (das gilt nicht für eine Zwischenblutung), Fortführung des oralen Kontrazeptivums ab dem Folgetag nach Einnahme der „Pille danach“. Bei Einnahme des Notfallkontrazeptivums – LNG oder UPA – nach Vergessen von 2 Pillen wird die nächste Pilleneinnahme am Folgetag empfohlen. Hierfür spricht auch das in der Fachinformation gestrichene Wort „unmittelbar“ in der Empfehlung, mit der Pilleneinnahme nach der „Pille danach“ zu beginnen oder fortzufahren [24]. Die bisherige Empfehlung, dass nach 7 Tagen weiterer korrekter Pilleneinnahme nach Einnahmeüberschreitung von über 12 Stunden davon ausgegangen werden kann, dass keine Schwangerschaft mehr eintreten kann, da dann das Follikelwachstum ausreichend supprimiert und die Zervixschleimbarriere aufgebaut ist, ist überholt. In einer aktuellen Studie mit einem LNG/EE-OC [25] konnte gezeigt werden, dass nach fehlerhafter Anwendung des OCs erst nach 14 Tagen bei 100 % der Studienteilnehmerinnen die Ovarien ruhiggestellt waren. Daher sollte die zusätzliche Anwendung einer zuverlässigen Barrieremethode (z. B. Kondome) nach der „Pille danach“ aufgrund vergessener OC-Einnahme bis zur nächsten Menstruation – mindestens jedoch für 14 Tage, wobei die normale Pille 7 Tage lang kontinuierlich eingenommen sein sollte – empfohlen werden. Bei der Einnahme der regulären Pille im Langzeitzyklus ist eine zusätzliche Verhütung für die nächsten 14 Tage notwendig.
4. OC-Einnahme vergessen ( ? 3 Tabletten): „Pille danach“, Kondom bis Einsetzen der Menstruationsblutung (das gilt nicht für eine Zwischenblutung), keine weitere Einnahme der Pille, bei Einsetzen der Blutung, Neubeginn ab 1. Zyklustag
Sonderfall: Mittzyklischer Beginn mit OC nach „Pille danach“
Fallbeispiel 5
21-jährige Studentin mit ungeschütztem Verkehr am Vortag. Es ist der 10. Zyklustag bei regelmäßigem Zyklus. Patientin möchte nicht schwanger werden und wünscht die „Pille danach“. Sie möchte außerdem ein Rezept für ein hormonales Kontrazeptivum, da sie jetzt regelmäßig mit der Pille verhüten möchte. Was ist hierbei zu beachten?
Der Wunsch einer Patientin, die zuvor nicht hormonell verhütet hat, mitten im Zyklus nach der „Pille danach“ mit einem oralen Kontrazeptivum zu starten, wird Quickstart genannt. Der sog. Quickstart, das heißt der Beginn einer kontrazeptiven Methode direkt im Anschluss an den Arztbesuch, ist in den USA und den UK, jedoch nicht in Deutschland üblich. Hierunter versteht man, dass unmittelbar nach der Konsultation des Arztes mit der Einnahme der Pille begonnen wird. In den USA und den UK verspricht man sich hiervon eine Verbesserung des Verhütungsverhaltens, da dauerhafte Verhütungsmethoden in den USA und den UK weniger häufig verwendet werden und ungewollte Schwangerschaften somit ein wichtiges Thema sind [26].
Ziel der sog. Quickstart-Studien
Quickstart-Studien [27] wurden an Frauen ohne bisherige hormonelle Verhütung durchgeführt. Diese wollten nach einer UPA-Einnahme, aufgrund ungeschützten Geschlechtsverkehrs, umgehend mit einem oralen Kontrazeptivum beginnen. Vergleichbare Studien für LNG existieren nicht [2, 28]. Die Quickstart-Studien [27] (Abb. 5) erlauben keine Aussagen über die kontrazeptive Sicherheit bei fehlerhafter Anwendung einer Kombinationspille bzw. eines Gestagen-Monopräparats (in einer Dosierung oberhalb der Ovulationsdosis) bzw. auch umgekehrt, inwiefern UPA die kontrazeptive Sicherheit einer Kombinationspille bzw. eines reinen Gestagenpräparats bei Einnahmefehler und Fortsetzen der Einnahme beeinträchtigt.
Studien und deren Ergebnisse
Die beiden folgenden Quickstart-Studien wurden nur mit UPA durchgeführt; zu LNG gibt es keine Studien.
Studie mit Quickstart zur Zyklusmitte mit einer Desogestrel-Monopille [27]
a) Wirksamkeit von UPA als „Pille danach“
In dieser Studie wurde die Wirkung von Desogestrel als Quickstart einen Tag nach UPA-Gabe auf die Wirksamkeit der „Pille danach“ untersucht (Parameter: Ovulationen bis zu 5 Tagen nach der UPA-Einnahme).
Ovulationen: Berücksichtigt man die maximale Überlebenszeit der Spermien von max. 6 Tagen, lassen sich 3 Zeitfenster definieren
1) UPA & Placebo (31 Zyklen)
- Ovulation vor Tag 6: 1 (3,4 %)
- Ovulation Tag 6–20*: 23 (78 %)
- Ovulation vor Tag 20: 24 (83 %)
2) UPA & DSG (30 Zyklen)
- Ovulation vor Tag 6: 13 (45 %)
- Ovulation Tag 6–20*: 11 (38 %)
- Ovulation vor Tag 20: 24 (52 %)
*berechnet, nicht in der Studie angegeben; Maß für kontrazeptive Sicherheit.
3) Placebo & DSG (29 Zyklen)
- Ovulation vor Tag 6: 11 (38 %)
- Ovulation Tag 6–20*: 0 (0 %)
- Ovulation vor Tag 20: 11 (38 %)
Fazit bei mittzyklischen Frauen mit sprungreifem Follikel:
Desogestrel-Mono (75 µg/Tag): Ovulation in 38 % innerhalb von 5 Tagen; später tritt unter Einnahme keine Ovulation mehr auf.
UPA-Gabe und Desogestrel (75 µg/Tag Quickstart): in 45 % Ovulationen innerhalb von 5 Tagen, beginnend ab dem 3. Tag nach UPA-Einnahme, d. h. die UPA-Wirkung wird teilweise aufgehoben.
Reine UPA-Gabe: nur eine Ovulation innerhalb von 5 Tagen. 23 Ovulationen treten zwischen Tag 6 und 20 auf.
Es besteht eine Interaktion von UPA, Desogestrel und anderen Gestagenen beim hepatischen Abbau durch die sog. CYP-Enyzme (www.hivclinic.ca); durch eine Interaktion mit diesen Enzymsystemen kann durch verstärkten Abbau von UPA und der Gestagene deren Wirkung abgeschwächt oder aufgehoben werden, bzw. beeinflussen diese Substanzen die Wirksamkeit von Medikamenten, die ebenfalls über diese Enzymsysteme verstoffwechselt werden.
- UPA metabolisiert über CYP3A4.
- Desogestrel: CYP3A4
(www.drugbank.ca/drugs/DB00304) - LNG metabolisiert über CYP3A4.
- Norgestrel metabolisiert über CYP3A4.
- Norgestimat metabolisiert über CYP3A4.
In dieser Studie beeinflusst Desogestrel als Quickstart einen Tag nach mittzyklischer UPA-Gabe die Wirksamkeit der „Pille danach” (Parameter: Ovulationen vor dem Tag 5 nach der UPA Einnahme).
b) Kontrazeptive Wirksamkeit von Desogestrel als Quickstart zu Zyklusmitte nach Gabe von UPA als „Pille danach“
Parameter: Ovulationen ab Tag 5; Einfluss auf den Zerivxschleim.
Ovulationen traten bei mittzyklischen Frauen mit sprungbereiten präovulatorischen Follikeln unter Gabe von Desogestrel mono (75 µg/Tag) innerhalb der ersten 5 Tage auf (vgl. Abb. 5).
Studie mit Quickstart zur Zyklusmitte mit einer LNG/EE-Pille [25]
Es handelt sich dabei um eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit KOK (30 µg EE/150 µg Levonorgestrel) mit einmaliger, oraler mittzyklischer UPA- oder Placebo-Gabe (Follikel > 13 mm) und anschließender Gabe eines KOK (150 µg Levonorgestrel/30 µg EE) über 21 Tage. Insgesamt wurden 76 Frauen in 3 Zentren rekrutiert und erhielten mittzyklisch entweder UPA (30 mg; n = 39) oder Placebo (n = 37). Ab dem Folgetag wurde für 21 Tage das KOK angewendet.
a) Wirksamkeit von UPA als „Pille danach”: Unter Placebo ovulierten mehr Frauen ab dem 2. Tag des Zyklus als in der UPA-Gruppe mit nachfolgender KOK-Gabe, in welcher erst ab dem 4. Tag Ovulationen auftraten. Es ist anzunehmen, dass die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit durch Abnahme der Befruchtungsfähigkeit der Spermien am 4. Tag nach GV schon deutlich abgenommen hat.
b) Kontrazeptive Wirksamkeit von LNG/EE als Quickstart zur Zyklusmitte nach Gabe von UPA als „Pille danach“: Bei Therapiebeginn zur Zyklusmitte fanden sich in den kumulativen Kurven zur ovariellen Ruhe nach Hoogland-Score keine Unterschiede zwischen der Placebo- und UPA-Gruppe. Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied hinsichtlich des Erreichens der ovariellen Ruhephase bei Frauen, die im vorausgegangenen Zyklus ein KOK angewandt hatten, und denen, die zuvor kein KOK angewandt hatten (66 % vs. 52 %).
(Anmerkung der Autoren: Unverständlich, da Desogestrel, das genauso wie Levonorgestrel über das CYP3A4 in der Leber metabolisiert wird, die ovulationsverschiebende Wirkung von UPA teilweise aufhebt. Hinsichtlich der Pharmakokinetik waren beim Vergleich der UPA+DSG-Gruppe mit der UPA+PLB2-Gruppe keine Unterschiede in der Cmax oder der AUC von UPA oder dessen Hauptmetaboliten 11-Demethyl-UPA erkennbar. Die pharmakokinetischen Parameter für den aktiven Metaboliten von DSG, Etonogestrel, waren durch die vorherige Gabe von UPA ebenfalls unverändert.)
Kommentar zur Aussagekraft der Studien
Unterschiede zwischen beiden Quickstart-Studien können z. T. durch das unterschiedliche komplexe Studiendesign sowie die geringe Anzahl an Studienteilnehmerinnen beeinflusst werden. Bei der Quickstart-Studie mit dem Desogestrel-haltigen Monopräparat zeigten sich demographische Unterschiede zwischen den Populationen. So wurden Unterschiede in der UPA+DSG-Gruppe in beiden Studienzentren festgestellt. In der Dominikanischen Republik sind insgesamt im Vergleich zu den Niederlanden mehr Ovulationen aufgetreten: 71,4 % (10/14) vs. 33,3 % (5/15), p = 0,0642.
Die Studien sprechen dafür, dass UPA keinen Einfluss auf die Fähigkeit eines KOK zur ovariellen Suppression hat. Das Studiendesign erlaubt aber keine Aussage darüber, ob ein KOK (hier: LNG/EE-Pille) bei mittzyklischer Anwendung die ovulationsverschiebende Wirkung von UPA beeinflusst.
Patientinnen, die nicht hormonell verhüten und nach mittzyklischer Anwendung der „Pille danach“ mit einem oralen Kontrazeptivum beginnen möchten, sollten insbesondere bei Desogestrel Mono 5 Tage mit dem Quickstart warten, um eine maximale postkoitale Wirkung zu erzielen. Daher wurde die nicht nachvollziehbare FDA-Empfehlung, nach der Einnahme von UPA als „Pille danach“ wegen zuvor fehlerhafter Einnahme einer Kombinationspille eine Pillenpause von 5 Tagen einzulegen von der EMA/London nicht übernommen [24, 29].
Aufgrund der unterschiedlichen pharmakogenetischen Beeinflussung von Levonorgestrel und Ulipristalacetat auf die Wirksamkeit oraler hormonaler Kontrazeptiva empfiehlt es sich, nach Einnahmefehlern einer Pille und Gabe von Ulipristalacetat, bis zur nächsten Periode die Pille abzusetzen und alternativ zu verhüten (z. B. Kondom), um eine mögliche Abschwächung der Ulipristalacetatwirkung durch Einnahme der Pille zu vermeiden. Diese Empfehlung gilt solange, bis durch neue Studien mit ausreichendem Stichprobenumfang das Gegenteil bewiesen ist [30].
Bei HRA Pharma [persönliche Mitteilung 2017, Dr. Dierkes] hat sich die Bewertung trotz der Publikation im Frauenarzt nicht geändert. Die Handlungsempfehlungen für Pillenanwenderinnen lauten wie folgt: Die reguläre Pille kann am Folgetag der Einnahme von ellaOne® wie gewohnt weiter fortgeführt werden, um Entzugsblutungen oder verunsichernde Zyklusstörungen zu vermeiden.
Aufgrund des vorherigen Pillenfehlers besteht jedoch kein ausreichender Verhütungsschutz durch das hormonelle orale Kontrazeptivum. Daher sollte bis zum Ende des Zyklus mit Barrieremethoden, z. B. Kondomen, zusätzlich verhütet werden – siehe oben.
Basis für diese Empfehlung ist die Bewertung der vorliegenden Studiendaten – auch durch die Zulassungsbehörden. In den dargestellten Interaktionsstudien zeigte sich, dass ellaOne® die Wirksamkeit der Pille nicht beeinflusst. Es kam jedoch umgekehrt in einigen Fällen zur Wirkverringerung von ellaOne®, wenn diese mittzyklisch gegeben wurden.
Für LNG-haltige Notfallkontrazeptiva gibt es keinerlei Interaktionsstudien mit anderen Gestagenen. Das heißt, die Situation im Falle von LNG-haltigen Notfallkontrazeptiva ist unklar.
Die Interaktionsstudien zu UPA wurden den europäischen (EMA) und amerikanischen Behörden (FDA) vorgelegt. Die EMA kam zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Datenlage keinen entsprechenden Hinweis zum Abbruch der regulären Pille begründet (dies spiegelt sich in der deutschen Fachinformation wieder).
Daher resultiert unsere Empfehlung, am Folgetag der Einnahme der „Pille danach“ mit der normalen Pille fortzufahren. Zudem ist die mittzyklische Gabe in Deutschland nicht üblich (hier startet man zu Beginn des Zyklus mit der Pille). Demnach spiegelt das Ergebnis dieser Studien nicht die Situation einer fehlerhaften Anwendung des oralen Kontrazeptivums wider.
Fazit: Wir geben die Handlungsempfehlung, am Folgetag der Einnahme der „Pille danach“ wie gewohnt die reguläre Pille weiter einzunehmen und zusätzlich mit Barrieremethoden zu verhüten. Ein Abbruch der Pille nach Einnahme der „Pille danach“ bietet keinen nachgewiesenen zusätzlichen Wirksamkeitsvorteil.
Verträglichkeit der „Pille danach” bei schlechter Verträglichkeit hormonaler Kontrazeptiva
Fallbeispiel 6
28-jährige Patientin mit einem Kind. Beim Partner der Patientin ist am Vortag beim Verkehr das Kondom abgerutscht. Sie hat jetzt große Sorgen, schwanger zu werden, da sie sich als alleinerziehende Mutter kein weiteres Kind wünscht. Eine hormonale Kontrazeption in Form einer Kombinationspille hat die Patientin bisher nicht gut vertragen, daher Entschluss zur Verhütung mit Kondomen. Ist für die Patientin die „Pille danach” geeignet?
In dieser Situation sollte im Beratungsgespräch neben der „Pille danach” die hormonfreie „Spirale danach”, auch im Hinblick auf die weitere Kontrazeption, besprochen werden. Die Verträglichkeit der KOK kann nicht direkt auf das Nebenwirkungsprofil der „Pille danach” übertragen werden. Insofern könnte durchaus die „Pille danach” verordnet werden.
Entscheidend ist der Wunsch nach einer sicheren Schwangerschaftsverhütung. Diese ist durch die „Pille danach” nicht 100 % gewährleistet (siehe Tab. 1). Auch eine Einlage eines Kupfer-IUDs ist nur zu > 99 % sicher.
Da die „Kupfer-Spirale danach” die höchste kontrazeptive Sicherheit bietet, kommt diese aus mehreren Gründen in Betracht:
- sie bietet eine hohe kontrazeptive Sicherheit von über 99 %,
- sie stellt auch eine Möglichkeit zur weiteren Kontrazeption dar.
Wiederholte Anwendung der „Pille danach” im gleichen Zyklus
Fallbeispiel 7
21-jährige Patientin mit regelmäßigem Zyklus. Patientin hat vor einer Woche, am 10. Zyklustag, die „Pille danach” eingenommen. Jetzt gab es wieder eine Panne aufgrund einer fehlerhaften Kondomanwendung. Sie fragt, ob sie die „Pille danach“ noch einmal anwenden kann?
Da auch bei mehrmaligem ungeschützten Verkehr in einem Zyklus jeweils das Risiko für eine ungewollte Schwangerschaft besteht, sollte Ulipristalacetat als „Pille danach” nach einem ausführlichen Beratungsgespräch ggf. auch mehrfach im Zyklus zur umgehenden Einnahme rezeptiert werden, um eine unerwünschte Schwangerschaft zu verhindern. Allerdings muss die Patientin auf die eingeschränkte kontrazeptive Sicherheit hingewiesen werden. Die Wahrscheinlichkeit, die Ovulation zu verschieben, ist entsprechend dem Wirkmechanismus bei wiederholter Anwendung der „Pille danach“ in einem Zyklus geringer, da es gelingen muss, die bei der ersten Gabe von Ulipristalacetat bereits verschobene Ovulation noch weiterhin zu unterdrücken, d. h. zu verschieben.
Ulipristalacetat: Eine aktuell publizierte Studie untersucht die Effekte von wiederholter Gabe von UPA. Es wurde 23 gesunden sterilisierten Frauen 30 mg UPA über 8 Wochen lang entweder alle 7 oder alle 5 Tage lang verabreicht [31]. UPA war bei wiederholter Gabe über 8 Wochen lang in beiden Studienarmen gut verträglich. Die klinischen Laborwerte und Thrombosemarker ergaben ebenfalls keine Risikohinweise. Entsprechend den Sicherheitsdaten können 30 mg UPA auch mehrfach in einem Zyklus angewendet werden, sofern dies notwendig sein sollte. Fazit dieser Studie ist: Von einer Patientin ist die follikuläre Entwicklung weder bei initialer noch bei wiederholter Anwendung von Notfallkontrazeptiva bekannt. Auch die wiederholte Anwendung von UPA kann noch immer die Follikelruptur verzögern und somit eine ungewollte Schwangerschaft verhindern. Allerdings beträgt die kumulative Ovulationsrate pro Zyklus 80 %.
Levonorgestrel: Entsprechend der Fachinformation wird eine Mehrfacheinnahme der Levonorgestrel-haltigen „Pille danach“ im gleichen Zyklus „wegen der unerwünscht hohen Hormonbelastung für die Patientin und der Möglichkeit schwerer Zyklusstörungen“ nicht empfohlen [32]. Allerdings wurde in einem aktuellen Statement des ICEC (International Consortium for Emergency Contraception) festgestellt: Frauen sollten die „Pille danach“ so oft bekommen, wie sie benötigt wird [33]. Untersuchungen zeigen, dass die „Pille danach“ auch bei wiederholter Anwendung ungefährlich ist. Alternativ müssen immer die potentiellen gesundheitlichen Risiken, die mit einer ungewollten Schwangerschaft verbunden sind, im Auge behalten werden. Fazit des ICEC-Statements ist: Eine Frau kann nach jedem ungeschützten Geschlechtsverkehr eine „Pille danach“ anwenden, wenn sie nicht ungewollt schwanger werden möchte [33].
Bei mehrfach ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb von 24 Stunden ist die Gabe von einer einzelnen Dosis der „Pille danach“ ausreichend.
Die „Spirale danach” ist bei mehrfachem ungeschützten Verkehr in einem Zyklus eine sinnvolle Alternative, insbesondere, da sie zur Langzeitkontrazeption (unter Berücksichtigung von Alter, Parität, Kontraindikationen und individuellem Entzündungsrisiko) geeignet ist. Voraussetzung für die Anwendung der Kupferspirale beim 2. ungeschützten GV im gleichen Zyklus ist jedoch, dass beim ersten ungeschützten GV eine „Pille danach“ angewandt wurde, um einen möglichen Eingriff in eine bereits bestehende Frühschwangerschaft (> 5 Tage postkoital) zu vermeiden. Dies ist mehr eine ethische als medizinische Frage, da durch die Kupferspirale auch eine bereits implantierte Schwangerschaft in hohem Maße an der Weiterentwicklung gehemmt wird.
Schwangerschaft trotz „Pille danach”
Fallbeispiel 8
23-jährige Patientin, bisher keine Schwangerschaften, regelmäßiger Zyklus. Bisher keine hormonale Kontrazeption, da hierunter immer Kopfschmerzen. Patientin hatte 6 Wochen zuvor die „Pille danach“ eingenommen. Seit dieser Zeit keine Blutung, ein Schwangerschaftstest war positiv. Patientin fragt, ob die „Pille danach” nicht gewirkt hat und was sie tun soll?
Die „Pille danach” wirkt über die Verschiebung des Eisprungs. Hat dieser bereits stattgefunden, kann eine ungewollte Schwangerschaft nicht mehr verhindert werden. Bestätigt sich in den Untersuchungen eine Frühschwangerschaft, ist die Patientin über die weiteren Möglichkeiten aufzuklären: Schwangerschaften trotz „Pille danach” sind möglich, allerdings stellen sie keine Indikation für einen Abbruch der Schwangerschaft aus medizinischer Indikation dar. Sowohl unter LNG (www.embryotox.de) als auch unter UPA gibt es bisher keine Hinweise für Schädigungen des Embryos bzw. Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt [34] (Abb. 6).
Laut Periodic Safety Update Report vom 17.07.2015 (http://www.basg.gv.at/pharmakovigilanz/phv-meldung-formulare/humanarzneimittel/psur-meldungen/) sind bis zum Zeitpunkt des Berichtes 623 Schwangerschaften unter ellaOne® gemeldet worden. Es wurde keine Risikoerhöhung für Komplikationen oder Fehlbildungen beobachtet. Über den Gesundheitszustand von Föten/Neugeborenen bei Einnahme von Ulipristalacetat während einer bestehenden Schwangerschaft gibt es nur äußerst wenige Daten. Obwohl kein teratogenes Potenzial festgestellt wurde, sind die tierexperimentellen Daten in Bezug auf die Reproduktionstoxizität nicht ausreichend. Der Hersteller HRA Pharma führt ein Schwangerschaftsregister zur Erfassung des Ausgangs von Schwangerschaften nach ellaOne®-Exposition (www.hra-pregnancy-registry.com/de/). Alle Anwenderinnen sowie Angehörige der Gesundheitsberufe werden gebeten, Fälle einer Schwangerschaft nach ellaOne®-Exposition dorthin zu melden.
Ist die Patientin unsicher, ob sie das Kind austragen möchte, sollte der Kontakt zur Schwangerenkonfliktberatung vermittelt werden. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen ist ggf. ein Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Indikation (Beratungsregelung) möglich.
Schwangerschaften trotz „Pille danach“ sind selten und deren Nachverfolgung ist für den Hersteller wichtig. Daher sollten diese Schwangerschaften dem Hersteller mitgeteilt werden.
Schwangerschaft nach postkoitaler Einlage eines Kupfer-IUDs
Kupferspiralen schützen eher vor intrauteriner als vor extrauteriner Schwangerschaft, es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass auch die Wahrscheinlichkeit einer extrauterinen Schwangerschaft bei IUD-Anwendung vermindert ist (nur relativ – nicht absolut) [35]: Hier 3 von insg. 39 Schwangerschaften bei 2736 Kupfer-IUD Anwenderinnen, ohne IUD wäre die spontane EUG-Rate 1–2 % aller Schwangerschaften; www.frauenaerzte-im-netz.de/de_eileiterschwangerschaft-was-ist-eine-eileiterschwangerschaft-_867.html).
Sollte es bei liegendem IUD zu einer Schwangerschaft kommen, muss durch Ultraschall überprüft werden, ob die Schwangerschaft intrauterin oder ektop lokalisiert ist. Tritt bei einem liegenden IUD eine intrauterine Schwangerschaft auf, sollte individuell entschieden werden, ob die Schwangerschaft ausgetragen werden kann. Das Ziehen einer Spirale bei Schwangerschaft ist nur sinnvoll, wenn der Faden sichtbar ist und die Spirale unterhalb des Fruchtpols liegt. Über das erhöhte Abortrisiko muss die Frau aufgeklärt werden. Da es sich um eine spezielle Einzelfallentscheidung handelt, können keine generellen Empfehlungen gegeben werden.
Bislang gibt es keine Beweise, dass ein IUD bei Fortsetzen einer Schwangerschaft zu Geburtsschäden führt [36–39].Wird die Schwangerschaft trotz liegenden IUDs fortgesetzt, sollten bei erhöhtem Infektions- und Frühgeburtsrisiko [40] regelmäßige Kontrollen und pränataldiagnostische Untersuchungen erfolgen. Auch schwere Infektionsverläufe bis hin zur Septikämie wurden beobachtet. Falls das Pessar während der Schwangerschaft in situ verbleibt, wird es im Allgemeinen vor oder zusammen mit der Ausstoßung der Plazenta und der Eihäute ausgeschwemmt. Bei unklarem Verbleib des IUD postpartal kann mit einer Beckenübersichtsaufnahme oder Ultraschalluntersuchung das IUD möglicherweise lokalisiert werden.
Bei vermuteter ektoper Schwangerschaft sind engmaschige Verlaufskontrollen (HCG, Sonographie, Klinik) und ggfs. bei Bestätigung das operative Vorgehen mit gleichzeitiger Entfernung des IUDs indiziert.
„Pille danach” und Stillzeit
Fallbeispiel 9
27-jährige Patientin stillt ihr 5 Monate altes Baby morgens und abends. Am Tag zuvor gab es eine Verhütungspanne mit einem Kondom. Sie wünscht sich derzeit kein weiteres Kind und fragt, ob sie die „Pille danach” in der Stillzeit einnehmen kann.
Die „Pille danach“ kann empfohlen werden, um das Schwangerschaftsrisiko der Patientin zu senken. Allerdings darf bei Anwendung von ellaOne® 7 Tage und bei Anwendung eines Levonorgestrel-haltigen Präparats 8 Stunden nicht gestillt werden; die Milch sollte abgepumpt und in jedem Fall verworfen werden. Die Patientin ist aufzuklären, dass im Wochenbett die erste Ovulation auch ohne vorherige Blutung eintritt. Sofern die Patientin die Einlage eines Kupfer-IUDs wünscht, muss sie auch auf das erhöhte Perforationsrisiko bei IUD-Einlage im Wochenbett und während der Stillzeit aufgeklärt werden (www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2015/rhb-levonorgestrel.html).
Notfallkontrazeption bei Patientinnen mit medizinischen Grunderkrankungen
Jede Hormonbehandlung bei Patientinnen mit medizinischen Grunderkrankungen erfordert eine sorgfältige Einzelanalyse der Krankengeschichte und der aktuellen Situation. Unter Berücksichtigung von Vor- und Nachteilen der geplanten Behandlungsmethode muss dann jeweils eine Einzelfall-Entscheidung getroffen werden, über die die Patientin im Rahmen des Patientenrechtegesetzes aufgeklärt werden muss. Eine sorgfältige Dokumentation in der Patientenakte und gegebenenfalls eine schriftliche Aufklärung der Patientin sind erforderlich. Die Anwendung von Ulipristalacetat- bzw. Levonorgestrel-haltigen Notfallkontrazeptiva bei Patientinnen mit medizinischen Grunderkrankungen ist in Tabelle 2 zusammengestellt.
Asthma
Die Anwendung von UPA bei Frauen mit schwerem Asthma, die durch Einnahme von Glukokortikoiden behandelt werden, wird nicht empfohlen (EMA, Produktinformation ellaOne®; http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/001027/WC500023670.pdf). Die Anwendungseinschränkung von UPA bei Asthmapatientinnen unter Glukokortikoidtherapie beruht auf einer möglichen Interaktion vom UPA mit dem Glukokortikoidrezeptor sowie einer möglichen Interaktion bei der hepatischen Verstoffwechselung der Substanzen.
Fallbeispiel 9
20-jährige Patientin, bisher keine Schwangerschaften. Die Patientin hat seit ihrer Pubertät Asthma und wendet unregelmäßig Asthmasprays an. Der Zyklus ist regelmäßig, bisher war keine Kontrazeption erforderlich, jetzt hatte sie ungeschützten Verkehr. Dies könnte zur Zyklusmitte passiert sein. Ist die „Pille danach” möglicherweise bei Asthma kontraindiziert?
Vor Rezeptierung eines Präparates sollte mit der Patientin eine genaue Anamnese über Art und Schwere des Asthmas und die derzeit durchgeführten Therapien besprochen werden, da je nach Schweregrad des Asthmas die Grunderkrankung eine relative oder absolute Kontraindikation zur Anwendung bestimmter postkoitaler Kontrazeptiva darstellt.
Schweregrad-Einteilung des stabilen Asthmas bei Erwachsenen (Deutsche Atemswegsliga e.V.):
- Schweregrad I: intermittierend
- Schweregrad II: geringgradig persistierend
- Schweregrad III: mittelgradig persistierend
- Schweregrad IV: schwergradig persistierend
Vorgehen je nach Schweregrad des Asthmas
Bei Asthma der Stufen 1–3 ist eine Abgabe von UPA möglich. Bei schwerem Asthma der Stufe 4 wird gemäß Fachinformation die Abgabe von UPA nicht empfohlen. In der Fachinformation von ellaOne® heißt es: […] „Die Anwendung bei Frauen mit schwerem Asthma, die durch die Einnahme von Glukokortikoiden behandelt werden, wird nicht empfohlen“ [24]. D.h. schweres Asthma ist eine relative Kontraindikation für die Anwendung der UPA-haltigen „Pille danach“. Mit der relativen Kontraindikation gemeint sind Patientinnen mit Asthma der Stufe 4 oder höher (je nach Schema), welche sowohl ein systemisches Glukokortikoid als auch ein hoch dosiertes inhalatives Glukokortikoid und ggf. zusätzliche Medikamente (u. a. ?2-Sympathomimetika) anwenden (www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001027/WC500023673.pdf). Generell sollte Patientinnen mit schwerem Asthma der Hinweis gegeben werden, dass UPA theoretisch (Hinweise hierzu gibt es nur in Tierversuchen) einen Asthmaanfall auslösen kann und sie nach Anwendung von ellaOne® ihre Medikamente zur Behandlung eines solchen akuten Falls griffbereit haben sollten, um den Anfall zu kontrollieren [24] – dies gilt als reine Vorsichtsmaßnahme. Eine Alternative wäre hier die Anwendung von LNG als orales Notfallkontrazeptivum ohne glukokortikoide Affinität. LNG-haltige „Pillen danach“ sind aber im Vergleich weniger wirksam, denn der ovulationshemmende Effekt von LNG im Vergleich zu UPA ist statistisch signifikant geringer [1, 9].
Zustand nach venöser Thromboembolie
Fallbeispiel 10
35-jährige Patientin, bisher keine Schwangerschaften. Vor einem ½ Jahr eine tiefe Beinvenenthrombose. Familienanamnese für thromboembolische Erkrankungen unauffällig. Eigenanamnese: Thrombophiliediagnostik ist bisher nicht erfolgt. Dies sollte nach dem Absetzen von Marcoumar nachgeholt werden. Patientin hatte am Tag zuvor ungeschützten Verkehr, sie hat derzeit keinen Kinderwunsch und möchte die „Pille danach” einnehmen. Was ist zu beachten?
Das VTE-Risiko der „Pille danach“ ist als sehr gering einzustufen. Die Auswertung der klinischen Daten von 30 mg UPA ergab bereits 2015 keine Erhöhung des Thromboserisikos bei 7 Millionen UPA-Anwendungen (www.basg.gv.at/pharmakovigilanz/phv-meldung-formulare/humanarzneimittel/psur-meldungen/). Mittlerweile liegen Daten von 10 Millionen Verordnungen vor, ohne dass vermehrte VTE-Meldungen erfolgten.
Unter LNG-haltigen Notfallkontrazeptiva wurden thromboembolische Ereignisse gemeldet: 6 Ereignisse im Zeitraum 17. April 2011 bis 23. Dezember 2014 (Periodic Safety Update Report NorLevo®, 19.03.2015: http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/regulation/document_listing/document_listing_000361.jsp). Dies ist in den Fachinformationen entsprechend berücksichtigt: „Nach Einnahme von PiDaNa 1,5 mg wurde über thromboembolische Ereignisse berichtet. Die Möglichkeit des Auftretens eines solchen thromboembolischen Ereignisses sollte bei Frauen mit anderen vorbestehenden Risikofaktoren, insbesondere Hinweisen auf eine Thrombophilie in der eigenen oder Familiengeschichte, bedacht werden.“[32]
Bei Patientinnen unter Marcoumarisierung bzw. Einnahme von Faktor-X-Hemmern kann die „Pille danach“ (LNG bzw. UPA) ohne Bedenken verordnet werden.
Anders ist die Situation, wenn dies nicht der Fall ist. Hier muss im Einzelfall das indivuelle VTE-Risiko bewertet werden. Bei deutlich erhöhtem Thromboserisiko z. B. Verhaltensmaßregeln (Trinkmenge erhöhen, körperliche Bewegung, medizinische Kompressionsstrümpfe), ggfs. Heparinisierung (mit niedermolekularen Heparinen für 1–3 Tage; Einzelfallentscheidung je nach individuellem VTE-Risiko) sowie Überlegung, ob als Alternative die postkoitale Einlage eines hierzu zugelassenen Kupfer-IUD in Frage kommt. Bei Risikopatientinnen für venöse Thromboembolien (pos. Eigen- oder Familienanamnese) muss die Patientin über bestehende Risiken aufgeklärt werden.
Erbrechen nach Einnahme der „Pille danach”
Fallbeispiel 11
17-jährige Patientin mit ungeschütztem Verkehr vor 2 Tagen. Patientin befindet sich in der Ausbildung, eine Schwangerschaft wäre für sie eine Katastrophe. Sie hat sich über die Apotheke die „Pille danach“ besorgt und gleich eingenommen, 2 Stunden nach der Einnahme musste sie erbrechen. Seit Tagen habe sie einen Magen-Darm-Infekt. Sie stellt sich jetzt unmittelbar nach dem Erbrechen in der Praxis vor und fragt, was sie tun kann, um nicht ungewollt schwanger zu werden.
Bei Erbrechen innerhalb von 3 Stunden nach Einnahme einer Levonorgestrel- bzw. Ulipristalacetat-haltigen Pille zur Notfallkontrazeption ist eine weitere Tablette einzunehmen. In Einzelsituationen, z. B. langer Anfahrtsweg zur Apotheke, können als vorbeugende Maßnahme nach entsprechender Aufklärung 2 „Pillen danach” rezeptiert werden.
Wegen der besseren Verträglichkeit sollten die Hormone nicht auf nüchternen Magen, sondern erst nach der Aufnahme von Nahrung oder mit der Nahrung eingenommen werden.
Alternative Anwendungswege („off-label“)
Transvaginal: Hierdurch wird die Magen-Darm-Passage umgangen. Je nach Lipophilität und Scheiden-pH-Wert ist die Resorption der Steroide unterschiedlich.
Levonorgestrel: Als Bestandteil von Carragard zur vaginalen, periovulären Kontrazeption untersucht. Die Gabe von 1,5 mg Levonorgestrel oral oder vaginal führte zu einer maximalen Plasmakonzentration, Cmax 19,2 bzw. 3,21 ng/ ml, einer kürzeren Zeit Tmax 1,4 oder 6,6 h und einer höheren AUC, 152,7 bzw. 52,5 ng h/ml, bei kürzerer Halbwertszeit, 25 oder 32 h [41], Schwangerschaftsrate 0,7 %. Es gab keine ernsthaften unerwünschten Wirkungen und nur einen geringen Einfluss auf den menstruellen Zyklus.
Ulipristalacetat wird auch transvaginal resorbiert, wie kontrazeptive Studien mit Vaginalringen mit UPA zeigten [42]. Ovulationshemmung bei UPA-Serumspiegeln 6–7 ng/mL. In den ersten Studien wurden Ringe mit einer Freisetzung von 400–500 µg UPA (Serumspiegel beim Plateau: 2–3 ng/mL) bzw. 600–800 µg/Tag eingesetzt (UPA Spiegel: 4,7–7,6 ng/mL). Weitere Studien setzten Ringe mit 1,5 und 2 mg/Tag ein.
Bei den Safety-Studien [43] wurde UPA in mikronisierter Form mit bis zu 100 mg/Einzeldosis eingesetzt – ohne wesentliche Nebenwirkungen und bis 200 mg/Einzeldosis mit stärkeren Blutungsstörungen als Nebenwirkung. Eine Tablette à 30 mg UPA führt sicherlich zu höheren Serumspiegeln als bei der oralen Anwendung und sollte somit als „off-label”-Alternative zur Notfallkontrazeption geeignet sein.
Weitere Therapieansätze
COX-2-Inhibitoren: Präovulatorisch kann durch die zusätzliche „off-label“-Einnahme von 15 mg Meloxicam (Handelsname u. a. Mobec®), einem COX-2-Hemmer, die Ovulation verhindert und so die Effektivität erhöht werden (Pilot-Studie [44].
In einer Meta-Analyse von Weiss und Gandhi [45] fanden sich in 6 Studien mit den COX-2-Inhibitoren Rofecoxib, Celecoxib und Meloxicam ausreichend Hinweise auf deren Wirksamkeit bei der Notfallkontrazeption, es fehlen aber entsprechende klinische Studien. Tierexperimentelle Studien an Primaten haben eine positive Wirkung von Meloxicam gezeigt [46].
Nicht-steroidale Antiphlogistika: Inwieweit Voltaren-Suppositorien (Ibuprofen Supp.; 25 mg in 2 Einzelgaben, rektal) [47] bzw. Indometacin [48] alternativ eingesetzt werden können, muss weiter untersucht werden, hierzu liegen nur Daten aus dem IVF-Bereich vor.
Durchfall
Die Steroidhormone werden in den oberen Dünndarmabschnitten resorbiert. Nur bei choleraartigen, reisbreiartigen Durchfällen kann die Steroidresorption gestört sein. Anders ist die Situation bei akuten oder chronischen Darmenentzündungen (z. B. Colitis ulcerosa, M. Crohn).
Je nach Einzelfall sollte überlegt werden, ob die Einlage eines Kupfer-Intrauterinpessars die bessere Alternative wäre.
Starkes Übergewicht
Fallbeispiel 12
37-jährige Patientin, Gewicht 115 kg, Größe 172 cm (BMI: 38,9). Die Patientin hatte am Vortag ungeschützten Verkehr zur Zyklusmitte. Orale hormonale Kontrazeptiva nimmt die Patientin nicht ein, da der Frauenarzt ihr empfohlen hat, das Gewicht zu reduzieren und das Rauchen ( > 20 Zigaretten/Tag) einzustellen. Rauchen stellt ab dem 35. Lebensjahr eine absolute Kontraindikation zur Anwendung hormonaler Kontrazeptiva dar. Sie fragt, ob sie die „Pille danach” einnehmen kann.
Entsprechend der derzeitigen Datenlage nimmt die kontrazeptive Sicherheit (als Notfallkontrazeptivum) von Levonorgestrel (1,5 mg) ab 75 kg KG und von Ulipristalacetat (30 mg) vermutlich ab 90 kg KG ab – ab 90 kg KG sollte die Einlage einer Kupfer-Spirale in Erwägung gezogen werden [49].
Aufgrund einer EMA-Entscheidung vom 24.7.2014 (www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2014/07/news_detail_002145.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1) wurde weltweit – auch in Ländern, die sich die Levonorgestrelmethode kaum leisten können – die Gewichtseinschränkung für Levonorgestrel aus den Warnhinweisen der Fachinformation herausgenommen. Auch für Ulipristalacetat besteht keine Anwendungseinschränkung bei erhöhtem Körpergewicht. Diese Entscheidung der EMA berücksichtigt u. a. einen Vergleich von 3 WHO-Multicenter-Studien, durchgeführt im asiatischen bzw. afrikanischen Raum [50–52]. Diese vor 16 Jahren bzw. vor 12 Jahren in China, Indien, der Mongolei und einigen osteuropäischen Ländern erhobenen Daten und die Studie aus Nigeria führen das Komitee zu der Aussage, dass ein hohes Körpergewicht der Frau die Wirkung der „Pille danach“ nicht abschwächt. In den genannten Multicenter-Studien lag allerdings das durchschnittliche Körpergewicht bei 52 bzw. 56 kg, die mittlere Körpergröße bei 163 cm. Innerhalb der einzelnen Studien wurde nach einem Zusammenhang zwischen Körpergewicht/BMI und Zuverlässigkeit der „Pille danach” nicht gesucht.
Neuere, in Großbritannien, Frankreich und den USA durchgeführte Untersuchungen reichen laut EMA nicht aus, um auf einen möglichen Wirkungsverlust bei höherem Körpergewicht hinzuweisen. In diesen aktuellen Studien war deutlich erkennbar, dass die Wirkung der beiden für die Notfallverhütung verfügbaren Arzneimittel bei steigendem Körpergewicht abnimmt [49] (Abb. 7). Nach Bewertung aller vorliegenden Daten hat die EMA die Empfehlung weitergeleitet, entsprechende Warnhinweise aus den Produktinformationen LNG-haltiger Notfallkontrazeptiva zu entfernen. Allerdings sollen als Hinweis auf mögliche Effekte Datentabellen aus den neueren Studien zur Wirksamkeit in Abhängigkeit vom Körpergewicht in die Fachinformationen übernommen werden.
Da es sich bei der EMA-Entscheidung um eine weltweit gültige Risiko-Nutzen-Analyse handelt, empfehlen die Autoren in Deutschland weiterhin, die Verfügbarkeit aller 3 postkoitalen Verhütungsmethoden zu berücksichtigen. Bei Frauen mit einem Körpergewicht > 75 kg bzw. einem BMI > 25 ist weiterhin von einer abgeschwächten Wirksamkeit von Levonorgestrel (LNG) auszugehen. Bei UPA scheint die Wirkung erst ab einem Körpergewicht von 90 kg zu sinken. Ist eine Frau noch schwerer, kann für eine sichere Notfallverhütung noch die Einlage einer Kupferspirale empfohlen werden.
Einlage einer Kupferspirale: Hierbei ist im Einzelfall zu prüfen, ob bei der Patientin Kontraindikationen für die Einlage einer Kupferspirale bestehen.
Fazit
Bei starkem Übergewicht ist die Wirksamkeit sowohl von Levonorgestrel als auch von Ulipristalacetat eingeschränkt. Die von manchen Kollegen diskutierte Möglichkeit der Einnahme von 2 Pillen des jeweiligen Präparats („off label“) kann nicht empfohlen werden, da entsprechende Dosis-Wirkungs-Studien in Abhängigkeit vom Körpergewicht der Patientinnen nicht durchgeführt wurden. Bei stark übergewichtigen Frauen ist die Einlage eines Kupfer-Intrauterinpessars die beste Lösung, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Auf die unterschiedlichen Punkte, die hierbei zu beachten sind, wurde eingegangen. Siehe auch: www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Scientific_Conclusion/human/001027/WC500176358.pdf).
Epilepsie und entsprechende Medikation mit Carbamazepin
Fallbeispiel 13
31-jährige Patientin, 1 Kind, alleinerziehende Mutter. Die Patientin hatte am 9. Zyklustag, bei unregelmäßigem Zyklus ungeschützten Verkehr. Sie ist Epileptikerin und mit Carbamazepin gut eingestellt. Darf sie die „Pille danach” anwenden?
Östrogene können zur Auslösung eines epileptischen Anfalls führen. Bei Gestagenen ist dies nicht zu erwarten (siehe hierzu umfassende Übersichtsarbeit von Rabe et al. [53]).
Carbamazepin wirkt induzierend auf die CYP3A4-Enzymgruppe. Sowohl LNG als auch UPA werden über CYP3A4 metabolisiert. Somit kann Carbamazepin, auch bei Einnahme bis zu 4 Wochen zuvor, als CYP3A4-Induktor die postkoitale Wirkung von LNG und UPA verringern. Weiterhin ist zu beachten, dass Carbamazepin, wie viele andere Antikonvulsiva, potentiell als teratogen betrachtet wird.
Umgekehrt ist keine Wirkreduktion von Carbamazepin anzunehmen, da weder UPA noch LNG in klinisch relevantem Ausmaß induzierend oder inhibierend auf die CYP3A4-Enzymgruppe wirken [24, 32].
Um eine maximale postkoitale Wirkung zu erzielen, sollte die „Pille danach“ so schnell wie möglich angewendet werden. Die Einlage eines IUD bei Epileptikerinnen ist die sicherste Wahl der postkoitalen Kontrazeption und ebenso zur langfristigen Verhütung geeignet. Die Patientin sollte aber darüber aufgeklärt werden, dass auch bei Einlage eines IUD ein epileptischer Anfall auftreten kann.
Arzneimittelinteraktionen: „Pille danach” und Johanniskraut (Hypericum perforatum)
Fallbeispiel 14
37-jährige Patientin, 2 Kinder, mit erheblicher depressiver Verstimmung. Patientin nimmt seit 3 Wochen Johanniskraut-Dragees ein. Verhütung mit kombinierten hormonalen Kontrazeptiva. Von einer Freundin wurde ihr gesagt, dass möglicherweise die Wirkung der hormonalen Kontrazeptiva durch Johanniskraut herabgesetzt wird. Nun hat sie Angst, schwanger zu werden. Wie würden Sie die Patientin beraten?
Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist ein Induktor der CYP3A4-Enzymgruppe und interagiert daher mit einigen Medikamenten, u.a. wird der Verhütungsschutz oraler Kontrazeptiva herabgesetzt. Sowohl LNG als auch UPA werden über CYP3A4 metabolisiert. Somit kann Johanniskraut als CYP3A4-Induktor die postkoitale Wirkung von LNG und UPA verringern. Umgekehrt ist keine Wirkreduktion von Johanniskraut anzunehmen, da weder UPA noch LNG in klinisch relevantem Ausmaß induzierend oder inhibierend auf die CYP3A4-Enzymgruppe wirken [24, 32] (Tab. 3).
Auch die Enzyminduktion des Johanniskrauts hält bis zu 4 Wochen an. Die Wechselwirkung kann nicht durch Warten umgangen werden. Um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden, sollte das Notfallkontrazeptivum schnellstmöglich angewendet werden.
Um eine ungewollte Schwangerschaft mit hoher Sicherheit zu verhindern, ist in diesem Falle das Legen einer Kupferspirale angebracht (siehe oben). Sollte die Kupferspirale als Notfallverhütungsmethode von der Patientin abgelehnt werden oder sie hierfür nicht geeignet sein (siehe Kontraindikationen), kann die „Pille danach“ mit der Aufklärung über eine eventuell reduzierte Wirksamkeit rezeptiert werden. Sowohl für Levonorgestrel als auch UPA wird die Einnahme der doppelten Dosis diskutiert („off-label“).
Juristische Aspekte: Verweigerung der „Pille danach”
Darf der Arzt die Abgabe der „Pille danach” verweigern?
In der Apotheke gilt der Kontrahierungszwang und eine Verweigerung der Abgabe der „Pille danach“ aus ethischen oder religiösen Gründen ist nicht möglich. Ein Arzt ist nicht verpflichtet, einer Frau die „Pille danach“ zu verschreiben. Falls nach Verweigerung der Verschreibung eine Schwangerschaft eintritt, muss der Arzt weder Schadensersatz leisten noch Schmerzensgeld zahlen. Das heißt: Der Arzt hat das Recht auf Gewissensfreiheit.
Die Schadensersatzklage einer Frau wurde abgewiesen, die von einem Arzt im nächtlichen Notdienst die Verschreibung der „Pille danach“ verlangte, weil beim Geschlechtsverkehr das Kondom gerissen war. Das Gericht verneinte bei der dann schwanger gewordenen Frau einen Notfall und hielt die Verweigerung des Arztes aus ethisch-moralischen Gründen für rechtens [Landgericht Frankfurt, AZ: 2-14016/01]. Da dieses Urteil bisher von keinem Oberlandesgericht bestätigt wurde, sollte man mit der o. g. Aussage vorsichtig umgehen. Beispielsweise dürfen Ärzte in katholischen Krankenhäusern die „Pille danach” nur im Falle einer Vergewaltigung verordnen. Ein Arzt ist auch nicht verpflichtet, einer Frau zur postkoitalen Kontrazeption ein Kupfer-IUD einzulegen. Da hierdurch die Implantation gehemmt wird, können auch religiöse Aspekte (Glauben und Weltanschauung) eine Rolle spielen.
Für den Fall, dass ein Arzt die Ausstellung eines Rezepts über die „Pille danach” verweigert, sollte dieser die Patientin unbedingt an eine Apotheke oder einen anderen Arzt verweisen.
Muss der Frauenarzt oder Apotheker die Patientin, die eine Notfallkontrazeption benötigt, persönlich gesehen haben oder besteht die Möglichkeit, wenn die Patientin bettlägerig ist, dass der Partner der Patientin beim Frauenarzt ein Rezept abholt und so das Notfallkontrazeptivum ausgehändigt bekommt?
Rezept durch den Frauenarzt
Der Frauenarzt gibt die „Pille danach“ nicht mit. Er stellt ein Rezept aus und mit Rezept ist das persönliche Erscheinen der Frau in der Apotheke nicht erforderlich. Es erscheint jedoch sinnvoll, wenn die Patientin zuvor mit dem Frauenarzt telefoniert. Inwieweit der Frauenarzt juristisch abgesichert ist, wenn er ein Rezept ausstellt, ohne die Patientin persönlich gesehen zu haben (Analogie zu Wiederholungsrezepten?), kann durch die Autoren nicht beurteilt werden.
Kupfer-Intrauterinpessar zur postkoitalen Kontrazeption
Anwendung (Tab. 4)
Kupferintrauterinpessare werden als Medizinprodukte eingestuft, für die keine speziellen Zulassungsstudien seitens des BfArM gefordert werden; es reicht der Wirkungsnachweis in kleinen, zum Teil unkontrollierten Studien.
Die Erstbeschreibung der EC-Wirkung von Kupfer-IUDs erfolgte durch Lippes et al. [54], weitere Studien liegen von Zhou et al. [55] und Wu et al. [56] vor, siehe auch Review von Fasoli et al. [57]. Vergleichsstudien zu Levonorgestrel (oral) zeigten eine bessere kontrazeptive Sicherheit der Kupfer-IUDs [58].
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit liegt bei > 99 %, ist also sehr hoch [59]. Bei einer Untersuchung mit > 5000 Frauen in Holland konnten Haspels et al. [59] zeigen, dass keine Schwangerschaften nach Insertion eines Kupfer-IUDs auftraten.
Das in das Cavum uteri abgegebene Kupfer löst folgende Effekte aus:
- Nidationshemmung: Am Endometrium findet eine Fremdkörperreaktion statt, die eine Nidation verhindert und das Stroma beeinträchtigt. Die hierdurch erhöhte Wandpermeabilität und Fragilität der Arteriolen erklärt vermehrte endometriale Blutungen unter einem liegenden Cu-IUD.
- Toxische Effekte auf die Spermatozoen: Die Freisetzung der Kupferionen hemmt bestimmte Spermatozoen-Enyzme und stört die Spermien-Eizellinteraktion, so dass eine mögliche Befruchtung erschwert wird.
- Zervixfaktor: Die Kupferionen haben keinen Einfluss auf den Schleimpfropf der Cervix uteri und auf die Spermienaszension.
- Implantationshemmung: Die kupferhaltigen IUD verhindern primär die Konzeption und nur sekundär die Nidation. Postkoital angewendet spielt die Nidationshemmung die größere Rolle, da in der Zeit zwischen ungeschütztem Geschlechtsverkehr und Einlegen des Kupfer-IUD die Konzeption stattfinden kann. Durch den zusätzlichen Effekt der Nidationshemmung ist das Kupfer-IUD das sicherste postkoitale Verhütungsmittel.
- Religion: Da ein Teil der Patientinnen aus religiösen und weltanschaulichen Gründen eine Implantationshemmung nicht akzeptiert, ist bei der Aufklärung immer darauf hinzuweisen, dass die Wirkung eines Kupfer-IUD, das nach der Ovulation eingelegt wird, auf der Hinderung der Implantation besteht, da durch das Kupfer-IUD eine mögliche Fertilisierung nicht mehr verhindert werden kann [60]. Der Vorteil einer Kontrazeption mit einer Kupfer-Spirale besteht zusätzlich in der Langzeitwirkung. Das Risiko von entzündlichen Genitalinfektionen (PID) ist nur in den ersten Wochen nach Einlage des IUD erhöht [60] und insgesamt bei einer beidseits monogamen Beziehung sehr gering (klinische Erfahrungen sprechen immer mehr dafür, auch unter Kupfer-IUD per se keine erhöhte Infektionsgefahr mehr zu sehen; https://sogc.org.
Praxisempfehlungen zur Anwendung von Kupferspiralen zur postkoitalen Kontrazeption
1. Ein Kupfer-IUD kann zur postkoitalen Kontrazeption bei allen Patientinnen eingesetzt werden, die eine hohe kontrazeptive Sicherheit und eine Langzeitkontrazeption wünschen, sofern keine Kontraindikationen hierfür vorliegen. Ein Kupfer-IUD stellt auch bei Frauen, bei denen die beiden hormonellen Methoden als „Pille danach“ nicht in Betracht kommen, eine Alternative dar. Siehe Notfallkontrazeption bei Frauen mit medizinischen Grunderkrankungen.
2. IUD-Auswahl (Abb. 8): Folgende IUDs haben eine Zulassung zur Notfallkontrazeption (EurimPharma, pers. Information, 2015): Neo-Safe T CU 380*/380 Mini; Multi-Safe** CU 375/375 short; T-Safe CU 380A QL; CU-Safe T 300;
*) Analogon für das Nova T380;
**) Multisafe-Produkte entsprechen den Multiload-IUDs (sogar gleicher Hersteller; Fa. Mona Lisa/Belgien); GynFix 330 u. a. siehe Fachinformation
Daten zu den einzelnen, aktuell auf dem Markt befindlichen Produkten finden sich unter:
- Nova-T® 380: in PubMed keine Studien; kein Hinweis in Fachinformation Nova T (07/2014) (compendium.ch/mpro/mnr/20388/html/de).
- Paraguard® T 380A: siehe oben Wu et al. [56] sowie Klima [62] (Anm. keine Studie, Erfahrungsbericht); siehe auch: www.welche-spirale.de/spira lenvergleich.
- In US-Fachinformationen kein Hinweis: www.drugs.com/drp/paragard-t-380a-intrauterine-copper-contracep tive.html.
- GyneFix: Für junge Mädchen und Frauen, die noch nicht geboren haben, besteht bei ausreichend entwickeltem Uterus die Möglichkeit der Einlage einer so genannten Kupferkette (GyneFix), die in 2 Varianten zur Verfügung steht: GyneFix 200 und GyneFix330 (www.verhueten-gynefix.de/gynefix). Für die Einlage sollte die Uteruswanddicke 11 mm im Fundusbereich betragen; Uterussondenlänge (bzw. Ultraschalllänge) > 8 cm (GyneFix 330) bzw. < 8 cm (GynFix 200). Einzelne Fachinformationen und Wirksamkeitsnachweis durch kleine Studien siehe [63, 64].
Analogieschluss GyneFix® zu anderen Kupfer-IUDs: www.verhueten-gynefix.de/gynefix-als-alternative-zur-pille-danach
Mirena® und Jaydess® sind zur postkoitalen Kontrazeption nicht geeignet.
3. Anwendungszeitpunkt: Je nach Einzelfall kann bis 5 Tage nach ungeschütztem Verkehr ein Kupfer-IUD zur postkoitalen Kontrazeption eingelegt werden.
4. Anwendungshinweise: Vor Einlage eines Kupfer-IUD zur postkoitalen Kontrazeption sind Kontraindikationen (u. a. vaginale Infektionen, Uterusanomalien, bestehende oder vorherige entzündliche Genitalerkrankungen etc.) (siehe Fachinformation Nova-T; Stand 07/2014) auszuschließen. Wenn die Patientin eine sichere Form der Kontrazeption wünscht und die Einlage eines Kupfer-IUD (bis 5 Tage nach ungeschütztem GV) möchte, sollte es auch ohne ausdrücklichen Wunsch nach einer Langzeitkontrazeption eingelegt werden, sofern hierfür keine Kontraindikationen bestehen. Für junge Nulliparae sind hormonelle Methoden im Allgemeinen besser geeignet als die Einlage eines Kupfer-IUD. Die Einlage einer Kupferspirale sollte daher nur in ausgewählten Fällen erfolgen.
5. Aufklärung: Die Patientinnen sind über Wirkung, Nebenwirkungen und Alternativen aufzuklären, Die Aufklärung sollte dokumentiert werden. Vor der Einlage der Spirale ist die Patientin außerdem über die Kosten (insgesamt ca. € 150,- für Einsetzen und IUD) zu informieren. Vor der Einlage der Spirale muss ein Behandlungsvertrag geschlossen werden, in welchem die einzelnen GOÄ Nr. mit Steigerungsfaktoren und Betrag aufgeführt werden.
Informationen zur „Pille danach” im Internet
Siehe Fachinformationen der einzelnen Notfallkontrazeptiva.
Allgemeine Informationen im Netz:
Diensthabende Notfall-Apotheke
Die diensthabende Notfall-Apotheke ist jedenfalls für alle Routinefälle im Zusammenhang mit der Notfallkontrazeption der einfachere Ansprechpartner.
Ärztliche Bereitschaftsdienste
Alle Bereitschaftsdienste sind über eine bundesweite Telefonnummer 116117 zu erreichen. Es erfolgt eine Verbindung mit dem örtlichen Dienst. Inwieweit allerdings der ärztliche Bereitschaftsdienst aufgrund vorhandener Hintergrundinformationen eine Stellungnahme abgeben kann, hängt vom Einzelfall ab.
Interessenkonflikt
C. Albring, C. Egarter, B. Hinney, K. König, A. Schüring, B. Toth geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
J. Bitzer: Berater und Referent für Gedeon Richter und HRA, Teilnahme an Advisory Boards von Bayer, Merck, Exeltis, Mithra, Vortragshonorare von Bayer und Merck; G. Merki-Feld: Adviser und Speaker für HRA Pharma; E. Merkle: Honorare und Reisespesen von MSD, Omega Pharma, Pfizer, Procter & Gamble, HRA Pharma und Shionogi; T. Rabe: bis 2016 Berater von HRA, ab 2017 kein Interessenkonflikt; N. Sänger: Beraterin und Referentin für Gedeon Richter und Referentin für Kade. M. Ziller: Berater- und Referentenhonorare von Jenapharm, Dr. Kade, Gedeon Richter, Hexal, Schaper und Brümmer
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