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Thorn P et al.  
BKiD-Leitlinie für die psychosoziale Beratung alleinstehender Frauen mit Kinderwunsch / BKiD guidelines for psychosocial counseling of single women who want to have children

Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2024; 21 (3): 95-102

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Keywords: alleinstehende FrauAufklärungpsychosoziale BeratungSamenspendeSolomutterschaft

BKiD-Leitlinie für die psychosoziale Beratung ­alleinstehender Frauen mit Kinderwunsch

P. Thorn1, K. Horn2, B. Scharer3, H. Hartkorn4

Eingelangt am 9.April 2024; angenommen nach Revision am 7. Juni 2024 (verantwortlicher Rubrik-Herausgeber: H. Kentenich, Berlin)

Aus 1Mörfelden, 2Berlin, 3München, 4donum vitae Westerwald/Rhein-Lahn e.V.

Rechtliche Beratung: Andreas M. Wucherpfennig, http://www.ra-wucherpfennig.de

Korrespondenzadresse: Dr. Petra Thorn, D-6456 Mörfelden, Langener Straße 37; E-Mail: mail@pthorn.de

Kurzfassung: Immer mehr alleinstehende Frauen greifen auf eine Samenspende zurück, um eine Familie zu gründen. Für diese Frauen, aber auch für medizinische und psychosoziale Fachkräfte ist dieser Weg zur Elternschaft mit zahlreichen Fragen und Unsicherheiten verbunden. So sind die Frauen vor die Frage gestellt, ob sie sich einer Behandlung in einem Kinderwunschzentrum unterziehen, eine Privatspende durchführen oder eine Co-Elternschaft eingehen. Viele Frauen entscheiden sich erst für eine Samenspende, wenn sie ihren Kinderwunsch nicht in einer Beziehung verwirklichen konnten. Dies hat zur Folge, dass ihr biologisches Fenster für eine Behandlung klein ist und sie möglicherweise eine Embryonenspende in Erwägung ziehen müssen. Diese BKiD-Leitlinie benennt die unterschiedlichen Wege zu Familienbildung für alleinstehende Frauen und beschreibt ausführlich relevante Informationen und Themenbereiche für die Beratung der angehenden Solomütter, der Spender und der so gezeugten Kinder.

Schlüsselwörter: alleinstehende Frau, Solomutterschaft, Samenspende, psychosoziale Beratung, Aufklärung

Abstract: BKiD guidelines for psychosocial counseling of single women who want to have children. An increasing number of single women use donor insemination to build a family. For these women as well as for medical and psychosocial professionals, this path to parenthood is associated with numerous questions and uncertainties. Women are faced with the question of whether to undergo treatment in a fertility center, carry out private inseminations or seek a co-parent. A number of women only decide to use donor insemination after they have been unable to realize their desire to have children in a relationship. In this situation, their biological window for treatment with donor sperm is small and they may have to consider embryo donation. This BKiD guideline identifies the various paths for single women to build a family and describes in detail the relevant information and topics for counselling intended solo mothers, donors and the children growing up in solo-mother-families. J Reproduktionsmed Endokrinol 2024; 21 (3): 95–102.

Key words: single woman, solo motherhood, sperm donation, infertility counselling, disclosure

Einführung

Die Solomutterschaft ist eine neue ­Familienform. Sie wird bislang im gesellschaftlichen Diskurs wenig beachtet und es fehlt sowohl an breiter Information als auch an wissenschaftlicher Forschung [1–3]. Dies führt nach wie vor zu Unsicherheiten bei allen Beteiligten: den alleinstehenden Frauen, die sich für diese Form der Familienbildung interes­sieren, den Kinderwunschzentren, an die Behandlungswünsche gerichtet werden, und den Samenspendern, die ihren Samen dieser Zielgruppe zur Verfügung stellen. Trotz zunehmender Familienvielfalt orientieren sich gesellschaftliche Leitbilder noch immer an traditionellen Familienzusammensetzungen. Daher er­staunt nicht, dass Solomüttern mit Vorbehalten begegnet wird und sie sich einem Rechtfertigungsgrund ausgesetzt fühlen [1].

Mit Inkrafttreten des Samenspender­registergesetzes im Jahr 2018 wurde die Familienform der Solomutterschaft immer verbreiteter. Mehr und mehr Frauen gehen diesen Weg der Familiengründung, auch die Zahl der medizinischen Fachkräfte, die entsprechende Behandlungen anbieten, nahm zu. Bereits 2019 lag der Anteil der Kinderwunschberatungen von alleinstehenden Frauen bei 16 % [4]. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Anteil in den letzten vier Jahren stark angestiegen ist. Die Beratungsinhalte umfassen vor allem Fragen bezüglich der Aufklärung des Kindes und des Umfelds, Unterstützung für die emotionale Belastung durch die Behandlung und Information hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen [4, 5].

Für die medizinische Behandlung der Samenspende (donogene Insemination, DI) liegen bedauerlicherweise bislang keine belastbaren Zahlen vor, weder allgemein für die Samenspende im medizinischen System noch für die verschiedenen Untergruppen der Wunscheltern innerhalb und außerhalb des medizinischen Systems. Lediglich die Zahlen der künstlichen Befruchtungen (IVF und ICSI) mit Spendersamen sind bekannt. Dies waren 2021 2583 Behandlungen, die zu 509 Geburten führten [6]. Die überwiegenden Behandlungen mit Spendersamen werden jedoch im Rahmen einer Insemination durchgeführt; diese Zahlen werden erst durch das DERI (Deutsches Inseminationsregister) erfasst, das 2023 initiiert wurde [7].

Es gibt vielfältige Wege zur Solomutterschaft. Sie unterscheiden sich vor allem darin, ob das Samenspenderregistergesetz greift, weil die Behandlung im medizinischen System durchgeführt wurde, oder ob dies nicht der Fall ist. Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt in der Frage der Identifizierbarkeit und der Rolle des Spenders für das Kind. So ist ein Spender im Rahmen einer privaten Samenspende oder Co-Elternschaft i. d. R. kontaktierbar und für das Kind (frühzeitig) präsent, ein Spender im medizinischen System für das Kind i. d. R. ab 16 Jahren identifizierbar und nur präsent, wenn er damit einverstanden ist. Diese unterschiedlichen Wege ziehen unterschiedliche Folgen nach sich, nicht nur in juristischer Hinsicht, sondern vor allem für die psychosozialen Fragestellungen, z. B. die Rolle des Spenders, dessen Rechte und Pflichten und Kontaktfrequenz.

Die folgende Leitlinie wurde entwickelt, um die Vielfältigkeit und Komplexität der Solomutterschaft darzustellen und die zentralen Themenbereiche der psychosozialen Beratung der Frauen, Spender und der so gezeugten Kinder zu erläutern.

Es gibt keine gesetzliche Regelung für eine psychosoziale Beratung im Rahmen der Spendersamenbehandlung. BKiD hält es jedoch für unerlässlich, dass Ärzte, die eine Gametenspende anbieten, Wunschmüttern vor Behandlungsbeginn eine psychosoziale Beratung empfehlen und geeignete Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme dieser Beratung schaffen, indem sie beispielsweise eine feste Kooperation mit einer psychosozialen Fachkraft eingehen. BKiD empfiehlt des Weiteren, dass Wunschmütter über die Inhalte der psychosozialen Beratung informiert werden: Sie ist ein konstruktiver Prozess der Auseinandersetzung mit ­einer Familienform, über die bislang wenige Erkenntnisse vorliegen. Die Beratung füllt mögliche Informationslücken und unterstützt Ratsuchende in ihrem Prozess der Auseinandersetzung, sodass sie ihre eigene, individuelle Form des kurz- und langfristigen Umgangs mit dieser Familienform erarbeiten können. Sie sollte von qualifizierten Fachkräften (z. B. mit entsprechender BKiD-Zertifizierung) vor Beginn der Umsetzung der Samenspende (unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb des medizinischen Systems geplant ist) durchgeführt werden. Die behandelnden Ärzte sollten schriftlich dokumentieren, wie sich die Wunschmutter bezüglich der Inanspruchnahme einer Beratung entscheidet. Die erfolgte Beratung kann durch die BKiD-Fachkraft schriftlich bestätigt werden. Auch Samenspendern (ggf. ebenso Eltern, die Embryonen abgeben) sollte eine psychosoziale Beratung empfohlen werden.

Die folgende Leitlinie beschreibt zunächst die Beratungsinhalte für die Wunschmutter, anschließend für den Samenspender. Auch die Beratungsinhalte älterer Kinder und Erwachsener, die in dieser Familienform aufwachsen, werden erläutert. Es sollte bedacht werden, dass auch alleinstehende Männer einen Kinderwunsch haben und diesen im Rahmen einer Co-Elternschaft, Pflegschaft oder Adoption umsetzen können. Die Beratungsinhalte können hierfür angepasst werden. Wissenschaftlich basiert diese Leitlinie insbesondere auf der BKiD-Leitlinie für die psychosoziale Beratung bei Gametenspende [8], der ESHRE „Good practice recommendations for information provision for those using and participating in reproductive donation“ [9] und der AWMF-Leitlinie „Psychosomatische Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen“ [10]. Der ärztliche Verantwortungsbereich z. B. hinsichtlich körperlicher und seelischer Gesundheit der Wunschmutter, ihrer Fertilität, der geplanten Behandlungsmethode u. ä. ist nicht Bestandteil dieser Leitlinie.

Mit dieser Leitlinie werden primär heterosexuelle, alleinstehende Frauen als Wunschmütter angesprochen, da dies die größte Gruppe der Ratsuchenden ausmacht; alleinerziehende Mütter nach Scheidung sind nicht die Zielgruppe dieser Leitlinie. Bezeichnungen wie Solomutter, Spender etc. gelten auch für nicht-binäre, intergeschlechtliche und Trans*Personen. Die Beratungsinhalte können für weitere Zielgruppen wie z.B. nicht-binäre, homosexuelle oder Trans*Soloelternpersonen angepasst werden.

1. Wege der Solomutterschaft

Es gibt verschiedene Wege zur Solomutterschaft, die sich nach Art der gespendeten Gameten, nach der Rolle des Samenspenders und der Art der Familiengründung unterscheiden:

A. Solomutterschaft nach donogener Insemination (DI) im medizinischen System in Deutschland (einschl. sog. „Exklusivspende”1)

1Eine Exklusivspende im medizinischen System bedeutet, dass ein der Wunschmutter bekannter Mann an diese exklusiv spendet. Seine Samenqualität und sein Gesundheitszustand werden i. d. R. im Vorfeld wie bei jedem Spender von einer Samenbank überprüft, sein Samen wird mittels ­Insemination oder künstlicher Befruchtung verwendet. Damit fällt diese Behandlung unter das SaRegG.

B. Solomutterschaft nach DI im privaten System im In- oder Ausland (nach Selbstinsemination oder Geschlechtsverkehr)

C. Solomutterschaft nach Embryonenspende in Deutschland

D. Solomutterschaft nach DI im Ausland (im medizinischen System, mit und ohne Eizellspende; nach Embryonenspende, nach Doppelspende2)

2 Bei einer Doppelspende werden Embryonen ­mithilfe von Spendersamen und Spendereizellen kreiert.

E. Solomutterschaft in Co-Elternschaft

F. Solomutterschaft nach Adoption

G. Solomutterschaft nach Aufnahme eines Pflegekindes

H. Solomutterschaft nach Leihmutterschaft (mit oder ohne Eizellspende, mit Samenspende)

1.1. Rechte des Kindes und des Spenders

Die o. a. Wege zur Solomutterschaft sind mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten des Kindes und des Spenders verbunden. Die angehende Solomutter sollte (ggf. gemeinsam mit dem Samenspender) hierüber ausführlich auch im Rahmen einer rechtlichen Beratung aufgeklärt werden.

Nach (A) (DI im medizinischen System) hat das Kind nach dem SaRegG (Samenspenderregistergesetz) ein Auskunftsrecht, das ab dem 16. Lebensjahr nur von ihm selbst umgesetzt werden kann. Zuvor kann die gesetzliche Vertretungsperson unter bestimmten Bedingungen diesen Anspruch für ihr Kind geltend machen. Der Samenspender ist von den gesamten elterlichen Rechten und Pflichten (z. B. Unterhaltspflichten) ausgeschlossen, da das SaRegG mit den ­Änderungen des BGB (§1600d Abs. 4 BGB) greift. Die Unterlagen werden 110 Jahre lang zen­tral dokumentiert. Für Kinder, die vor Inkrafttreten des SaRegG gezeugt wurden, sind die Samenbanken für die 110-jährige Dokumentation verantwortlich.

Ähnliches gilt nach (C) (Embryonenspende), allerdings ist die Dokumentationspflicht und -länge sowie das Auskunftsrecht des Kindes gesetzlich nicht explizit geklärt.

Sog. „Exklusivspenden“ (A) sind Spenden eines Mannes für eine bestimmte Wunschmutter. Einige Samenbanken sind bereit, Männer auch dann zu untersuchen, wenn deren Samen nur für eine bestimmte, festgelegte Wunschmutter verwendet wird. In diesem Fall trägt die Wunschmutter die hierfür anfallenden Kosten. „Exklusivspenden“ ermöglichen die Familiengründung mit einem bekannten Mann, der jedoch durch das SaRegG geschützt ist und dessen Daten für das Kind hinterlegt werden.

Nach (B) (private Samenspende) kann die Mutter im Namen des Kindes und/oder der Spender als genetischer Erzeuger dessen Vaterschaft beantragen, dies ggf. auch viele Jahre nach Geburt des Kindes. Sollte dieser Vater im rechtlichen Sinne werden, ist er u. a. zu Unterhaltszahlungen verpflichtet und hat ein Umgangsrecht. Das Kind ist in diesem Falle ihm gegenüber unterhaltspflichtig. Falls der Spender nicht Vater im rechtlichen Sinne ist, bleibt die zweite Elternposition unbesetzt; die Mutter ist nicht verpflichtet, einen Vater anzugeben.

Nach (D) (medizinische Spende im Ausland) gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Behandlungslandes hinsichtlich der Rechte und Pflichten des Spenders/der Spender. Nach deutschem Recht ist die Ratsuchende als Frau, die das Kind geboren hat, automatisch rechtliche Mutter des Kindes. Die zweite Elternposition ist i. d. R. nicht besetzt.

Nach (E) (Co-Elternschaft) beantragt der genetische Erzeuger i. d. R. die Vaterschaft und gestaltet diese in Absprache mit der Wunschmutter. Beide gestalten gemeinsam ihre elterlichen Sorgerechte und -pflichten.

Nach (F) (Adoption) wird die Wunschmutter rechtliche Mutter, die zweite Elternposition ist unbesetzt. Das Kind hat, wie alle Adoptivkinder, ab dem 16. Lebensjahr ein Auskunftsrecht.

Nach (G) (Pflegschaft) verbleibt das Sorgerecht i. d. R. bei den genetischen Eltern oder dem Jugendamt.

Nach (H) (Leihmutterschaft) kommt es auf die landesspezifische Gesetzgebung an, um die rechtliche Elternschaft zu erlangen.3

3 Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin nahm im April 2024 Stellung zu der Frage, unter welchen Umständen eine Leihmutterschaft und/oder Eizellspende in Deutschland zugelassen werden
(https://www.bmfsfj.de/resource/blob/238402/c47cae58b5cd2f68ffbd6e4e988f920d/bericht-kommission-zur-reproduktiven-selbstbestimmung-und-fortpflanzungsmedizin-data.pdf).

2. Beratung der Wunschmutter

Zwar handelt es sich bei der Durchführung der assistierten Befruchtung um eine Gewissensentscheidung jedes Arztes, jeder Ärztin (ESchG § 10), ein rechtliches Verbot der Behandlung von alleinstehenden Frauen gibt es jedoch nicht [11]. Auch gibt es keine gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende psychosoziale oder rechtliche Beratung oder die Bereitstellung einer sog. „Garantieperson“4, die bspw. im Notfall finanzielle Leistungen für das Kind übernimmt. Es ist jedoch vor jeglicher Behandlung mit Gameten Dritter sinnvoll und angemessen, neben einer rechtlichen Beratung eine psychosoziale Beratung zu empfehlen und zunächst im Sinne einer Psychoedukation über Folgendes zu informieren:

4 Eine „Garantieperson“ soll das Kind finanziell ­absichern, falls die Mutter nicht zu Unterhaltszahlungen zur Verfügung steht, oder den Mediziner vor Regressansprüchen schützen. Die Übertragung einer solchen finanziellen Verantwortung wird juristisch jedoch kritisch gesehen [17].

2.1. Allgemeine Informationen

Folgende Informationen sollten mit einer ratsuchenden Person besprochen werden.

2.1.1.

Information über unterschiedliche Wege zur Solomutterschaft und deren rechtlichen Konsequenzen (siehe 1).

2.1.2.

Informationen über berufsrechtliche Regelungen (z. B. die länderspezifische Umsetzung der Richtlinie der Bundesärztekammer und den Folgen für Behandlungsmöglichkeiten in verschiedenen Bundesländern). Grundsätzlich gilt, dass die Behandlung von Solomüttern durch Ärzte zulässig ist [11].

2.1.3.

Information über medizinische Möglichkeiten, Basisinformation über Eingriffe, Erfolgsquoten, Risiken und Kosten.

2.1.4.

Information über einkommensergänzende oder -ersetzende Leistungen.

2.1.5.

Information über die Bedeutung einer Vorsorgevollmacht und einer Sorgerechtsverfügung und -vollmacht, falls die Mutter ihr elterliches Sorgerecht nicht erfüllen kann oder verstirbt. Hierzu ist auch über die Form dieser Vollmachten zu informieren (z. B. als Testament hinterlegt).

2.1.6.

Information über Anlaufstellen und Vernetzungsmöglichkeiten5.

5 siehe Anhang.

2.2. Reflexion des bisherigen Kinderwunsches

2.2.1.

In der Beratung sollen die bisherigen Bemühungen, den Kinderwunsch zu erfüllen, reflektiert und gewürdigt werden. Manchen Wunschmüttern fällt es schwer, sich final für den Weg der Solomutterschaft zu entscheiden. Sie hadern mit dieser Familienform oder äußern die Hoffnung, ihren Kinderwunsch doch noch in einer Beziehung mit einem zweiten Elternteil umsetzen zu können. Bei Wunschmüttern im vorangeschrittenen Alter oder mit ovarieller Einschränkung sollte die realistische Chance eruiert werden, den Kinderwunsch unter Berücksichtigung der Zeit und Erwartungen (Doppelrolle: Partner und Elternteil) in einer Beziehung umzusetzen. Ebenso sollte die Wunschmutter über die Wege zur Solomutterschaft (A bis H, siehe oben) informiert werden, sodass sie sich bewusst für oder gegen bestimmte Optionen entscheiden kann.

2.2.2.

Da die meisten Wunschmütter ihren Kinderwunsch in einer Beziehung umsetzen wollten, kann es hilfreich sein, zunächst den nicht in Erfüllung gegangenen Wunsch nach einem Kind im Rahmen einer Partnerschaft zu betrauern. Die aktive Trauerphase kann unterschiedlich lang sein und unterschiedlich intensiv erlebt werden. Wichtig ist es, ausreichend Zeit für diese Trauerarbeit einzuräumen, sodass die Entscheidung zur Solomutterschaft auf einem bewussten Prozess beruht. Das Alter der Frau, ihre Fertilität und ihre Möglichkeit, schwanger zu werden, sollten dabei Berücksichtigung finden.

2.3. Reflexion der Solomutterschaft

2.3.1.

Der Beziehungsstatus „Single” kann zu einer Annahme seitens der Wunschmutter führen, gesellschaftlichen Bedingungen nicht zu genügen und sollte daher exploriert und reflektiert werden. Hilfreich kann hierbei eine positive Vermittlung des Begriffs der Solomutterschaft sein (z. B. „Entkopplung von Kinderwunsch und Partnerschaft” statt „allein ein Kind bekommen”).

2.3.2.

Manche Wunschmütter empfinden Scham und befürchten Vorurteile und Diskriminierung oder haben dies erlebt. Daher ist es hilfreich, die eigene Haltung zu reflektieren und einen selbstsicheren Umgang als Solomutter zu entwickeln. Hierzu gehört die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation, mit Werten und gesellschaftlichen Normen. In diesem Zusammenhang ist auch ein stabiles Netzwerk von Personen hilfreich, die bei diesem Entscheidungsprozess als vertrauensvolle Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

2.3.3.

Es kann unterschiedliche Gründe für eine Solomutterschaft geben. Hierzu gehören auch asexuelle oder aromantische Orientierungen. Zur Reflexion und Einordnung kann das Aspec-Spektrum6 helfen und weitere Auseinandersetzung anbieten [12].

6 Der Sammelbegriff des Aspec-Spektrums umfasst alle Orientierungen, die auf zwei verschiedenen Spektren liegen, dem aromantischen und dem asexuellen Spektrum. Aromantische Menschen verspüren selten, nie oder in geringem Maße romantische Anziehung, asexuelle Menschen hingegen selten, nie oder in geringem Maße sexuelle Anziehung.

2.3.4.

Ebenso sollte der kulturelle/religiöse Wertehintergrund (z. B. bei Migrationshintergrund) in der Beratung thematisiert und respektiert werden.

2.3.5.

Weiterhin ist die Wunschmutter vor die Herausforderung gestellt, alle Entscheidungen allein zu treffen.

3. Familienbildung mit ­Samenspende im medizinischen System (A, C, D)

3.1.

Die Wunschmutter sollte sich bewusst damit auseinandersetzen, dass sie eine neue und für viele Menschen noch sehr unbekannte Familienform wählt, sowohl was die Anzahl der Elternpersonen betrifft als auch die Zeugung eines Kindes mithilfe einer Samenspende (ggf. Embryonen- oder Doppelspende).

3.2.

Viele alleinstehende Frauen müssen aufgrund ihres vorangeschrittenen Alters oder einer medizinischen Diagnose ihre Entscheidung zügig treffen. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, auch weitere Formen sozialer Mutterschaft zu reflektieren, siehe 1.). Gleichzeitig sollte sichergestellt sein, dass die Entscheidung zu einer Solomutterschaft gereift ist und nicht aufgrund eines hohen Leidensdrucks zu schnell getroffen wird.

3.3.

Die Wunschmutter ist vor die Aufgabe gestellt, die üblichen Bedeutungszuschreibungen von biologischer Verbindung und sozialer Elternschaft zu reflektieren. In der Beratung kann es hilfreich sein, für den Spender eine eindeutige, dem Kontext angepasste Terminologie zu verwenden, z. B. „Spender” gegenüber Erwachsenen, „Mann, der Samen gegeben hat” gegenüber jüngeren Kindern. Diese Terminologie verdeutlicht i. d. R. die inneren Konzepte der Wunschmutter. Daher ist die Diskussion oder das Ringen um einen passenden Begriff auch eine konzeptuelle Auseinandersetzung mit dieser Familienform.

3.4.

Die Bedeutung der Samenspende und der geplanten Familienform auch für Verwandte (zukünftige Großeltern, ggf. Geschwister, ggf. Nichten und Neffen) ist zu thematisieren.

3.5.

Zu Behandlungsbeginn und während der Schwangerschaft kann es nochmals zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem der Wunschmutter unbekannten Spender kommen. Eine Beratung hilft bei dem Verstehen solcher Reaktionen und trägt dazu bei, eine akzeptierende Haltung und einen konstruktiven Umgang damit zu entwickeln.

3.6.

Gleiches gilt für Embryonen- bzw. Doppelspende oder andere Formen der Familienbildung mit Hilfe Dritter.

4. Beratung der Wunschmutter mit bekanntem Spender oder potenziellen Co-Väter/n (B, E)

4.1.

Im Falle einer privaten Samenspende und einer Co-Elternschaft sollten folgende Themen im günstigsten Falle vor Behandlungsbeginn mit der Wunschmutter und dem Spender gemeinsam besprochen werden:

  • Welche Rolle hat der Spender dem Kind und der Mutter gegenüber?
  • Wie engagiert ist der Spender im Rahmen der Erziehung?
  • Soll seine Rolle rechtlich abgesichert werden (z. B. Beantragung der Vaterschaft vor oder nach Geburt)?
  • Wie kann die Aufklärung des Kindes erfolgen? Ist dies in beiden Herkunftsfamilien und im sozialen Umfeld besprechbar?

4.2.

Die Bedeutung des Spenders kann sich im Laufe der Zeit, vor allem nach Geburt des Kindes, verändern. Daher sollten Bedürfnisse der Wunschmutter und des Spenders und die des Kindes, die von dem einmal abgesprochenen Rollen­verständnis abweichen, auch zu späteren Zeiten offen thematisiert und angepasst werden können. Es hat sich als sehr ­hilfreich erwiesen, dabei auch sogenannte „Worst-case“-Szenarien miteinander durchzugehen (z. B. Wunsch des Samenspenders nach Mitspracherecht in der Erziehung, obgleich dies vorgeburtlich ausgeschlossen wurde).

4.3.

Die Inhalte dieser Absprachen können schriftlich fixiert werden. Das Aufsetzen eines solchen Vertrages ist rechtlich nicht verbindlich, dokumentiert jedoch die diskutierten Vereinbarungen und dient daher als Grundlage für die mit allen Beteiligten vereinbarte Familiengestaltung. Zentral ist eine von beiden Seiten eindeutig formulierte Rolle des Spenders gegenüber dem Kind, die Einigung auf einen gemeinsamen Umgang mit dieser Art der Familiengründung und das Verständigen auf gemeinsame Begrifflichkeiten für den Spender.

4.4.

Zudem sollte in Abhängigkeit von der Rolle des Samenspenders die geplante Kontaktfrequenz und der Einbezug in Erziehungsfragen formuliert werden. Wichtig ist zudem die Vereinbarung, Konflikte mithilfe einer gemeinsamen Beratung zu klären, wenn diese nicht mit eigenen Mitteln beigelegt werden können.

4.5.

Zum Schutz des Spenders hinsichtlich seiner autonomen Entscheidungsfindung sollte sichergestellt sein, dass er sich nicht ausschließlich aufgrund freundschaftlicher Bindung zur Wunschmutter zur Spende moralisch verpflichtet fühlt. Zudem sollte die Zahl der geplanten Kinder (ggf. auch in weiteren Familien) abgesprochen werden. Auch sollte eine spätere Veränderung der Beziehung zwischen Spender und Mutter thematisiert werden; diese kann intimer oder distanzierter werden. Dies ist insbesondere im Rahmen einer Co-Elternschaft relevant.

4.6.

Letztendlich sollte bei einem bekannten Spender dessen Alter berücksichtigt werden. Sowohl die Wunschmutter als auch er sollten darüber aufgeklärt werden, dass bei älteren Männern das Fehlgeburtsrisiko und das Risiko eines behinderten Kindes steigt [13].

5. Die Bedürfnisse des Kindes und die Ausrichtung auf das Kindeswohl

5.1.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen mittlerweile, dass sich die psychologische und soziale Entwicklung von Kindern nach Gametenspende (unabhängig von heterosexueller, homosexueller oder Soloelternschaft und unabhängig von der Form der Gametenspende) nicht von jener spontan gezeugter Kinder unterscheidet. Sie müssen sich jedoch einer zusätzlichen Entwicklungsaufgabe stellen, nämlich die der psychischen Integra­tion der Person des Spenders [14].

5.2.

Eine Fragestellung, mit der sich Wunschmütter jedoch im Verlauf des Zusammenlebens als Familie immer wieder auseinandersetzen müssen, ist die der Aufklärung des Kindes über die biologische Abstammung und das Leben in einer Einelternfamilie. Dazu gehören die Begriffs- und Rollendefinition des Spenders. Auch wenn inzwischen eine frühzeitige Aufklärung des Kindes aus entwicklungspsychologischen und familiendynamischen Gründen für unbedingt sinnvoll erachtet wird, liegt die Entscheidungsautonomie bei der Wunschmutter. Wenn diese sich gegen eine Aufklärung entscheidet, sollte ihr der Zugang zur Beratung offenbleiben, damit sie bei Bedarf auch nach Geburt des Kindes ihre Haltung mit professioneller Unterstützung reflektieren (und gegebenenfalls ändern) kann.

5.3.

Immer mehr Solomütter überwinden ihre Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung und beabsichtigen, ihr Kind über die Zeugungsart aufzuklären. Es kann wichtig sein, Wunschmüttern zu vermitteln, dass viele Außenstehende weniger negativ über diese Art der Familienbildung denken als befürchtet wird. Auch sind Solomütter verunsichert, wie und in welchem Alter Kinder aufgeklärt werden können. Hier ist es wichtig, Wunschmütter zu informieren, dass es entwicklungspsychologisch am sinnvollsten ist, dass sich Kinder so früh wie möglich mit ihrer Familienform auseinandersetzen. Solomütter können bereits ab Geburt des Kindes ihren Umgang mit der Zeugungsgeschichte einüben, indem sie Gespräche (sog. „Wickeltischgespräche“7) mit ihrem Kind führen.

7 „Wickeltischgespräche“ bezeichnen die Kommunikation über die Zeugungsgeschichte in Anwesenheit des Kindes von Geburt an.

5.4.

Wunschmüttern kann die Aufklärung erleichtert werden, indem psychoedukatives Material zur Verfügung gestellt oder in der Beratung anschaulich erklärt wird, wie ein Kind konkret aufgeklärt werden kann. Wichtig ist zudem der Hinweis, dass die Aufklärung kein einmaliges Gespräch, sondern ein Prozess ist. Je älter das Kind ist, desto differenzierter werden in der Regel seine Fragen und desto anspruchsvoller können die Antworten der Solomutter bei einer Co-Elternschaft ausfallen.

Empfehlenswert ist zudem der Einbezug des Umfelds, z. B. Verwandte, ­Freunde, Nachbarn, Kindergarten, in diese Form der Familienbildung. Frühzeitige Ge­spräche (z. B. ab der 12. Schwangerschaftswoche) mit Nahestehenden können zudem dazu beitragen, Selbst­sicherheit zu entwickeln.

5.5.

Wenn die Solomutter die Geheimhaltung der Zeugungsart favorisiert, sollten die potenziellen Folgen für die Familie bedacht und ein konstruktiver Umgang damit reflektiert werden. Auch ist es hilfreich zu überprüfen, ob diese Entscheidung im Einklang mit der Wertehaltung der Wunschmutter, beispielsweise den Werten von Offenheit und Ehrlichkeit in einer Familie, steht.

5.6.

Eine zentrale Frage ist der Umgang mit der fehlenden zweiten Elternperson. Viele Kinder nehmen frühzeitig (bereits in der Kindertagesstätte) unterschiedliche Familienkonstellationen wahr und fragen nach der zweiten Elternperson. Kindern in Solomütterfamilien können die unterschiedlichen Familienkonzepte vermittelt werden, sodass es seine Familienzusammensetzung als eine mögliche unter vielen versteht.

5.7.

Auch wenn der Spender anonym bleibt (z. B. nach einer Behandlung im Ausland), wird eine Aufklärung aus familiendynamischen Gründen empfohlen, damit ein Familiengeheimnis vermieden und das Vertrauensverhältnis zum Kind nicht gefährdet wird.

5.8.

Ein weiteres Thema in der Beratung ist die Bedeutung des Spenders für das Kind. Manche Wunschmütter befürchten, dass sich das Kind nach einer Aufklärung aufgrund der biologischen Verbindung zum Spender hingezogen fühlt. Wichtig ist, dem Kind je nach Reifegrad die Entscheidungsautonomie über die Bedeutung des Spenders zu überlassen und so z. B. auch die Entscheidungsfreiheit, Nachforschungen über den genetischen Ursprung anzustellen, Kontakt zum Spender zu suchen und Ähnliches.

Darüber hinaus wird häufig befürchtet, dass sich die Zeugungsart negativ auf die Familiendynamik auswirken kann und Probleme in der Erziehung des Kindes oder in einer späteren Partnerschaft auf die Soloelternschaft zurückgeführt werden können. Es ist wichtig, die Wunschmutter darauf hinzuweisen, dass auch in Familien mit sozialer Elternschaft die üblichen Konflikte entstehen können und daher sicher nicht alle Konflikte in Zusammenhang mit der Zeugungsart stehen. Die Chancen einer gelingenden psychischen Integration des Wissens um die Abstammung sind eng verknüpft mit einer offenen Einstellung und Umgangsweise der Solomutter.

5.9.

Teenager und junge Erwachsene können das Bedürfnis haben, Informationen über den Spender zu erlangen oder ihn kennenzulernen. Dies ist ein natürliches Bedürfnis und keine Aussage über die grundsätzliche Qualität der Beziehung zur Mutter.

5.10.

Aufgrund der zunehmenden Entstigmatisierung der Soloelternschaft kann nicht nur davon ausgegangen werden, dass Solomütter vermehrt junge Kinder aufklären, sondern dass auch Teenager und (junge) Erwachsene über die Art ihrer Zeugung aufgeklärt werden. Eine späte Aufklärung kann zu einem Bruch in der Identitätsentwicklung führen und mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Traumatisierung verbunden sein, vor allem, wenn die Aufklärung unter ungünstigen Umständen stattgefunden hat. Eine psychosoziale Beratung kann den Prozess der wertschätzenden Aufklärung auch im späten Alter unterstützen, diese Information und ihre Bedeutung für das (erwachsene) Kind und seine Familie konstruktiv zu verarbeiten.

5.11.

Menschen, die mithilfe einer DI gezeugt wurden, können Interesse haben, ihre Halbgeschwister kennenzulernen. Im SaRegG gibt es hierfür keine Vorkehrungen. Daher verbleibt entweder der Samenspender als Kontaktmöglichkeit zu Halbgeschwistern oder Samenbanken erklären sich bereit, Kontakt zu Halbgeschwistern zu vermitteln. Viele Solomütter suchen über spezielle Websites und Facebookgruppen. Hier ist besonders auf die unsichere Lagerung der persönlichen Daten des Kindes im Internet hinzuweisen und der freien Zugänglichkeit anderer Mitnutzer und ggf. die weitere Verwendung der Daten zu achten.

6. Entwicklung und ­Nutzung von Ressourcen

  • Wichtig ist es, neben der Reflexion der möglichen Herausforderungen auch die vorhandenen Ressourcen in den Blick zu nehmen bzw. in der Beratung Ressourcen zu entwickeln. Für eine Einelternschaft können folgende Ressourcen besonders wichtig sein:
  • ein gutes soziales Netzwerk, was Mutter und Kind u. a. in besonders herausfordernden Zeiten (um die Geburt, im Krankheits- oder Notfall u. ä.) konkret unterstützt (Familie und Freunde, weitere Solomütter und Peergruppen, Eltern aus dem nahen geografischen Umfeld, z. B. Kita, Spielplätze, Schule, Nachbarn),
  • zuverlässige Personen, die im Alltag unterstützen; hierzu gehören z. B. auch Paten, ehrenamtliche Hilfen,
  • Reflexionsbereitschaft über die eigene psychische Verfassung, das psychische Vermögen und die innere moralische Erlaubnis, um Hilfe zu bitten,
  • die Fähigkeit, um Hilfe zu bitten, wenn etwas allein nicht zu bewältigen ist oder Reflexionshilfe benötigt wird,
  • die Entwicklung und Umsetzung von Achtsamkeits- und Selbstfürsorgestrategien, um ein gesundes Gleichgewicht zu erhalten,
  • ausreichend finanzielle Ressourcen für Notzeiten.

7. Beratung des Spenders

Samenspender sollten möglichst frühzeitig auf eine psychosoziale Beratung hingewiesen werden, optimalerweise vor der Entscheidung zu spenden. Die Beratungsinhalte orientieren sich nach der Form der Spende und vor allem daran, ob die Spende innerhalb oder außerhalb des medizinischen Systems durchgeführt wird.

7.1.

Jeder Spender sollte über Ablauf, zeitliche Erfordernis und relevante gesetzliche und berufsrechtliche Regelungen informiert werden. Sie sollten über die Dokumentationsdauer und -art aufgeklärt werden sowie über das Recht des Kindes auf Einsicht seiner biologischen Herkunft und die typischen Bedürfnisse von Kindern.

Falls der Samen ins Ausland exportiert wird, sollten sie über die relevante Gesetzgebung informiert werden und dieser zustimmen.

Männer, die im privaten System spenden, sollten ihre Rolle in zukünftigen Familien explorieren und Grenzen festlegen können. Im besten Falle sollten gemeinsame Beratungsgespräche mit den Wunsch­eltern/der Wunschmutter angeboten und die Entscheidungen schriftlich fixiert werden (siehe Punkt 4.).

7.2.

Spender sollten die Möglichkeit ihrer Spende reflektieren, und es sollte sichergestellt sein, dass die Spende aufgrund einer freien, eigenen Entscheidung und nicht aufgrund einer finanziellen Notlage oder emotionalen Verpflichtung erfolgt. Sie sollten die Möglichkeit haben, die Bedeutung eines Kindes, das mit ihrem Samen gezeugt wurde und in einer anderen Familie aufwächst, zu reflektieren. Bei Spendern in festen Beziehungen sollte der/die Partner/in einbezogen werden.

7.3.

In seltenen Fällen werden bei potenziellen Spendern eine eingeschränkte Fruchtbarkeit oder Erkrankungen diagnostiziert, die dazu führen, dass sie als Spender abgelehnt werden. Zudem können mit Spende gezeugte Kinder genetische Erkrankungen aufweisen, die ggf. auf den Spender zurückzuführen sind. Potenzielle Spender sollten frühzeitig über solche Situationen informiert werden und entscheiden können, ob sie über Erkrankungen informiert werden möchten, damit sie dies ggf. bei ihrer eigenen Familienplanung berücksichtigen können.

7.4.

Spendern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden zu entscheiden, für welche Gruppe (heterosexuelles, gleichgeschlechtliches Paar, alleinstehende Frau) sie bereit sind zu spenden. Auch sollten sie die Zahl der so gezeugten Kinder festlegen können. Die vom Arbeitskreis Donogene Insemination festgelegte Maximalzahl von 15 Kindern8 sollte nicht überschritten werden, auf Wunsch sollte der Spender eine geringere Zahl festlegen können [15]. Ebenso sollte der Spender auf Wunsch die Anzahl der Kinder erfahren können.

8 Falls Samen exportiert wird, setzt die landesspezifische Gesetzgebung das nationale Limit fest. In vielen Ländern (so auch in Deutschland) gibt es jedoch kein gesetzliches Limit. Zudem gibt es kein internationales Limit. Somit ist es möglich, dass exportierte Samen zu einer großen Zahl von Kindern führen.

7.5.

Auch für Männer kann eine Samenspende mit einem Tabu verbunden sein. Sie sollten reflektieren, ob und wie sie in ihrem sozialen Umfeld damit umgehen und wie sie ggf. auf Ablehnung oder Kritik reagieren können.

7.6.

Die Bedeutung der so gezeugten Kinder kann sich für den Spender im Laufe seines Lebens verändern, vor allem nach Geburt eigener Kinder. Diese sind Halbgeschwister der mithilfe der Spende gezeugten Kinder. Spendern sollte empfohlen werden, offen mit eigenen Kindern über ihre Spendetätigkeit zu sprechen, um ein Familiengeheimnis zu vermeiden.

7.7.

Wenn ein Kind oder eine erwachsene Person nach Spendebehandlung das Bedürfnis ausspricht, Kontakt zum Spender herzustellen, sollte der Spender eine vorbereitende psychosoziale Beratung sowie eine Begleitung des Kontakts wahrnehmen können (siehe Punkt 8.).

8. Beratung des so gezeugten Kindes

8.1.

Kinder bzw. Erwachsene, die mithilfe einer Spende gezeugt wurden, sollten jederzeit (allein, mit Familie) eine Beratung wahrnehmen können, wenn sie sich mit den Folgen einer Spende für sich selbst oder ihre Familie auseinandersetzen möchten. Dazu ist es erforderlich, dass diese Fachberatung in der Öffentlichkeit bekannt und empfohlen wird und dass diese Form der Beratung auch unabhängig von der Elternperson erfolgen kann.

8.2.

Die Beratung sollte auch Kindern/Erwachsenen (ggf. mit ihrer Familie) zur Verfügung stehen, wenn sie einen Kontakt zum Spender erwägen oder konkret eingehen möchten. Dieser Kontakt kann von einer psychosozialen Fachkraft begleitet werden. Fachkräfte sollten für die Vorbereitung und Begleitung von Kontakten ausgebildet sein [16].

Ausblick

Die Reproduktionsmedizin, insbesondere Behandlungen mithilfe Dritter, haben zu neuen Familienzusammensetzungen geführt. Die Solomutter-Familie nach Samenspende ist eine dieser neuen Familienformen. Auch wenn es noch Vorbehalte gegenüber dieser Familienform gibt, steigt die Zahl der Frauen, die auf diesem Weg ein Kind bekommen. Es ist dringend erforderlich, die wissenschaftliche Datenlage zu dieser Familienzusammensetzung zu verbessern. Wichtig wäre Forschung zum Langzeiterleben von Solomütterfamilien, der Kindesentwicklung und den Bedürfnissen und Erfahrungen von Samenspendern. Zudem sollten auch weitere Konstellationen wie Familien mit bekanntem Spender, Co-Eltern-Familien oder Familien mit z. B. Trans*Eltern mehr Berücksichtigung finden.

Interessenkonflikt

P.T. und K.H. sind Vorstandsmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung – BKiD

K.H. ist Vorstandsmitglied bei Solomütter Deutschland e.V.

Die anderen Autorinnen geben keinen Interessenkonflikt an.

Literatur:

1. Mayer-Lewis B. Familiengru?ndung von Frauen außerhalb einer Partnerschaft. Was Solo-Mu?tter in Deutschland bewegt – eine qualitativ-empirische Untersuchung. In: Beier K, et al (Hrsg). ­As­sis­tierte Reproduktion mit Hilfe Dritter. Medizin-Ethik-Psycholo­gie-Recht. Springer, Berlin, 2020; 213–28.

2. Imrie S, Golombok S. Impact of new family forms on parenting and child development. Ann Rev Dev Psychol2020; 2: 295–316.

3. Golombok S. Modern families. Parents and children in new family forms. Cambridge University Press, Cambridge, 2015.

4. Thorn P. Aktuelle Bestandsaufnahme der psychosozialen Kinder­wunschberatung in Deutschland. J Reproduktionsmed Endokrinol 2020; 6: 266–71.

5. Mayer-Lewis B. Mothers to be without a partner. Current data on a German-wide documentation on issues raised by single in women in fertility counselling. Poster presented at ESHRE 2018; Barcelona.

6. Deutsches IVF Register 2022 (27.02.204). https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2022-deutsch.pdf.

7. Hammel A et al. DERI – Deutsches Register für Inseminationen. J Reproduktionsmed Endokronologlie 2023; 5: 46–7.

8. Thorn P, Wischmann T. BKiD-Leitlinie für die psychosoziale Be­ratung bei Gametenspende. J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 4: 154–60.

9. ESHRE Working Group on Reproductive Donation. Good practice recommendations for information provision for those involved in reproductive donation. Hum Reprod Open 2022 (24.02.2024)
https://academic.oup.com/hropen/article/2022/1/hoac001/
6528996
.

10. Wischmann T, et al. Leitlinie psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen. Leitlinie der DGPFG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 016/003, Dezember 2019). Geburtsh Frauenheilk 2021; 81: 749–68.

11. Taupitz J. Ku?nstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren und alleinstehenden Frauen – die geltende Rechtslage. J Reproduktionsmed Endokronol 2021; 18: 110–12.

12. Kosiec M, Kroschel K. Einblick in das Aspec. Information zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out. Gefördert durch den Diversity-Projektfonds. Rubicon, 2020/2021, Köln.

13. du Fossé N, et al. Advanced paternal age is associated with an increased risk of spontaneous miscarriage: a systematic review and meta-analysis. Hum Reprod Update 2020; 26: 650–69.

14. Golombok S, et al. A longitudinal study of families formed through third-party assisted reproduction: Mother-child relationships and child adjustment from infancy to adulthood. Dev Psychol 2023; 6: 1059–73.

15. Hammel A, et al. Empfehlungen des Arbeitskreises für donogene Insemination (DI) zur Qualitätssicherung der Behandlung von Spendersamen in Deutschland in der Fassung vom 8. Februar 2006. J Reproduktionsmed Endokrinol 2006; 3: 166–74.

16. Thorn P, Mayer-Lewis B, Indekeu A. Kontakt zwischen Samen­spendern und ihren per Spende gezeugten Kindern – Entwicklun­gen und Herausforderungen. Ethik Med 2021; 3: 401–4.

17. Taupitz J. Künstliche Befruchtung bei Single-Frauen: Was ­garantiert die „Garantieperson“? In: Bitter G, Haarmeyer H, Pape G (Hrsg). Festschrift für Markus Gehrlein. Carl Heymanns Verlag, Hürth, 2022; 549–62.

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