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Kongressbericht: Die Schlüsselrolle von Progesteron in den Phasen der Schwangerschaft – Erkenntnisse aus der PREIS School 2024

Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2024; 21 (3): 133-134

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Die Schlüsselrolle von Progesteron in den Phasen der Schwangerschaft – Erkenntnisse aus der PREIS School 2024

Bericht von Dr. med. Christian Bruer

Am 16. und 17. Mai 2024 fand der Kurs der PREIS School in Florenz, Italien, zum Thema „Optimisation of assisted reproductive technologies“ statt. Internationale ­Experten gaben in ihren Vorträgen ein umfassendes Update zu „hot topics“ der assistierten Reproduktionsmedizin und tauschten sich untereinander und mit den Teilnehmenden aus.

Über die PREIS School

Die 2012 in Florenz gegründete PREIS School bietet Kurse, Fortbildungen und Kongresse in neonataler, perinataler, reproduktiver und postreproduktiver Medizin und verwandten Disziplinen an. Mehrfach im Jahr treffen sich internationale Expertinnen und Experten, um sich zu den neusten Forschungsergebnissen und eigenen Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen. Die Kurse und Fortbildungen finden nicht nur in Florenz, sondern an Standorten weltweit und online statt und haben den Anspruch, die Frauengesundheit und insbesondere die Mutter-Kind-Medizin in ihrem gesamten Verlauf zu fördern und zu optimieren. Beginnend vor der Empfängnis, in der Reproduktionsphase, während der Schwangerschaft und postnatal. Kerngedanke ist hier, neben der Vorstellung jüngster wissenschaftlicher Studien, auch das Vernetzen und der Erfahrungsaustausch zwischen Teilnehmenden und Vortragenden der Veranstaltungen.

Im PREIS School Kurs Mai 2024 wurden u. a. neue Erkenntnisse über die wichtige Rolle von Progesteron während der ART (assistierte Reproduktionstherapie) in der Lutealphase und der follikulären Phase sowie während einer erfolgreichen Schwangerschaft diskutiert. Weitere Diskussionspunkte waren Adjuvantien und Lebensstilfaktoren und deren Einfluss auf den Erfolg einer ART.

Progesteron in der Lutealphase beim Frischtransfer

Prof. Peter Humaidan, Dänemark, fokussierte sich auf den Frischtransfer und die Herausforderungen in der Lutealphase. Für eine erfolgreiche Implementation gilt eine Progesteron-Plasmakonzen­tration von mind. 10 ng/ml als Schwellenwert. Studien zeigen, dass der hCG-Trigger sehr oft nicht ausreicht, um die Progesteron-Lücke bis zur Einnistung zu schließen. Daher wird in den nordischen Ländern ab Tag 6 Progesteron supplementiert. Nach der Einnistung ist dies in der Regel nicht mehr nötig. Auch in der mid-­lutealen Phase nach einem Frischtransfer sollte das präzise Monitoring des Progesteron-Spiegels das Outcome verbessern.

Progesteron in der Lutealphase beim FET-Zyklus

Dr. Ana Raquel Neves, Portugal, fokussierte sich dagegen auf die Lutealphase beim Frozen-Embryo-Transfer (FET). Zur Unterstützung der Lutealphase gibt es vier unterschiedliche Protokolle: den „artificial cycle“ (AC; artifizieller Zyklus), den „natural cycle“ (NC; natürlicher Zyklus), den „modified natural cycle“ (mNC; modifizierter NC) und eine neue Variante, die aktuell Gegenstand klinischer Studien ist, den „natural pro­liferative phase cycle“ (NPP).

Am häufigsten wird der AC verwendet, bei dem Progesteron meist intravaginal oder intramuskulär appliziert wird. Im direkten Vergleich können mit der vaginalen Form höhere Progesteron-Konzentrationen im Endometrium erreicht werden. Der AC wurde in Studien allerdings mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie, großem Gestationsalter und Makrosomie assoziiert. Auch beim NC sollte eine zusätzliche Progesteron-Gabe erfolgen, da dies die Lebendgeburten- und die Schwangerschaftsrate erhöht. Die Anwendung des NC gilt als sicherer als der AC, wodurch bei Frauen mit Ovulation dieser vorgezogen werden sollte. Neue Strategien werden jedoch benötigt, um die negativen Aspekte (Anzahl Arztbesuche, höhere Abbruchraten) zu optimieren. Eine Kombination aus beiden ist der mNC, in dem typischerweise ein reifer Follikel von mind. 17 mm abgewartet wird, bis der Embryotransfer erfolgt.

Der NPP-Zyklus ist eine weitere Variante, welche die Sicherheit des NC mit der Flexibilität des AC verbindet. Dabei geht dem Embroytransfer im natürlichen Zyklus eine 6-tägige Progesteron-Gabe voraus. Eine aktuelle Publikation zeigt deutliche Vorteile des NPP und des NC gegenüber den AC in Bezug auf die Lebendgeburtenrate, Fehlgeburtsrate und hypertensive Störungen.

Progesteron in der follikulären Phase

GnRH-Antagonisten gelten heute als Standard, da sie einen schnelleren Wirk­eintritt und weniger Injektionen im Vergleich zu Agonisten ermöglichen. Dr. Christos Venetis, Australien, führte aus, dass die Wirksamkeit von beiden als vergleichbar gilt. Antagonisten sind jedoch aufgrund des geringeren OHSS-Risikos deutlich sicherer.

Nun stellt sich die Frage, welches der zahlreichen Antagonisten-Protokolle das optimale ist (fixer vs. flexibler Start bei Eintreten bestimmter Kriterien; Vorbehandlung mit oralen Kontrazeptiva, E2, Gestagenen). Diese Frage hat eine aktuelle Meta-Analyse aufgegriffen. Dabei scheint das Protokoll mit fixem Startzeitpunkt ohne Vorbehandlung (Ant-fixed-NP) die besten Ergebnisse hinsichtlich der Schwangerschaftsrate zu erzielen, in Bezug auf die Lebendgeburtenrate ließ sich jedoch kein Unterschied zwischen den Protokollen ermitteln. Eine Alternative für FET-Zyklen, um den LH-Abfall zu vermeiden, stellen Progesteron bzw. Gestagene dar. Dabei ist das Timing der Verabreichung entscheidend, da Progesteron den durch die Ovulation ausgelösten LH-Abfall nur in der frühen follikulären Phase inhibieren kann. Bei der „Progestin Primed Ovarian Stimulation“ (PPOS-Protokoll) existiert hinsichtlich der verwendeten Gestagene aktuell die beste Datenlage für MPA (Medroxyprogesteronacetat) und Dydrogesteron. Der Einsatz neuer Darreichungsformen wie mikronisiertes Progesteron ist Gegenstand aktueller klinischer Studien.

Neue Indikationen für Progesteron bei Fehlgeburten

Prof. Gian Carlo di Renzo, Italien, führte aus, dass Progesteron eine Schlüsselrolle während der gesamten Schwangerschaft einnimmt. Das endometriale Priming stellt eine wichtige Grundlage für die spätere Implementation dar. Progesteron spielt hier die entscheidende Rolle. ­Seine positiven Effekte erstrecken sich von der Modulierung der mütterlichen Immunantwort bis zur Unterdrückung der fetalen inflammatorischen Reaktion und der Reduktion der Uteruskontraktionen bis zur verbesserten Durchblutung der Plazenta. Dabei ist zu beachten, dass nur Progesteron in der Lage ist, dieses breite Wirkspektrum zu erreichen. Mit den verschiedenen Gestagenen ist dies nicht möglich. Die Plasmakonzentration von Progesteron sollte bei mindestens 10 ng/ ml liegen. Bei oraler Gabe ist zu beachten, dass 90 % über den First-pass-Effekt der Leber verloren gehen.

Laut ESHRE-Guidelines kann vaginales Progesteron bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten in der Vergangenheit (mindestens 3) und einer vaginalen Blutung in der aktuellen Schwangerschaft die Lebendgeburtenrate erhöhen [1]. Die Sicherheit von vaginalem Progesteron während der Schwangerschaft ist dabei gut belegt [2–8].

Vorgestellt wurde außerdem eine neue Arbeit von Tsibizova et al. [9] zum Outcome von Patientinnen unter Progesteron-Supplementation mit sehr niedrigem PAPP-A (Pregnancy-Associated Plasma Protein-A). PAPP-A gilt allgemein als sehr guter Marker des Endometriums, niedriges PAPP-A zeigt eine schlechte Plazentaentwicklung an. In der Studie wurden aus 8933 Patientinnen im ersten Trimester 116 schwangere Frauen mit niedrigem PAPP-A und keiner fetalen chromosomalen Anomalie selektiert. Es erfolgte eine Randomisierung in drei Gruppen. Gruppe 1 erhielt 200 mg mikronisiertes vaginales Progesteron ab der Testung in Woche 11 bis Woche 16. Gruppe 2 erhielt 200 mg mikronisiertes vaginales Progesteron ab der Testung in Woche 11 bis Woche 36. Gruppe 3 erhielt als Kontrollgruppe keine Progesteron-Supplementation. In Gruppe 3 kam es zu höheren Raten an Komplikationen (inkl. Fehl- und Frühgeburten). In Gruppe 2 unter 200 mg Progesteron bis Woche 36 wurden die geringsten Fehl- und Frühgeburtsraten im Vergleich zu Gruppe 1 und 2 beobachtet.

Adjuvantien für besseren Erfolg der ART?

Eine wirksame adjuvante Maßnahme in der ART soll die Lebendgeburtenrate und die Zeit bis zur Geburt verbessern. Als Adjuvantien in der ART zählen Probiotika, Antioxidantien, Aspirin oder Kortikosteroide. Dr. Alberto Revelli, Italien, führte aus, dass v. a. bei wiederholtem IVF-Versagen der Wunsch der Patientinnen nach zusätzlichen Optionen wächst. Bisher gibt es allerdings keine robusten Daten, die eine Empfehlung zur präventiven Gabe rechtfertigen würden.

Effekte aus der perikonzeptionellen Phase

Prof. di Renzo ging noch auf weitere ­Lebensstilfaktoren ein, welche das Outcome einer ART beeinflussen können. In der perikonzeptionellen Phase sollte insbesondere auf Rauchen, Alkohol, Adipositas und Vitamin-D-Mangel geachtet werden. Aber auch der übermäßige Verzehr von Pestizid-belastetem Obst und Gemüse war in Studien mit niedrigeren Schwangerschaftsraten und Lebend­geburtenraten nach IVF assoziiert, ebenso wie der Kontakt mit sogenannten EDCs („Endocrine Disrupting Chemicals“).

Die Rolle der männlichen Unfruchtbarkeit

Abschließend sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bis zu 50 % der ART-Behandlungen durch männliche Unfruchtbarkeit verursacht werden.

Prof. Humaidan führte aus, dass im Fachgebiet der Andrologie/Urologie das Thema Reproduktion oft vernachlässigt wird, obwohl bekannt ist, dass die Spermienkonzentration von 1970–2010 in westlichen Ländern um 50 % abgenommen hat. Durch Lebensstilveränderung kann eine vorliegende DNA-Fragmentierung im Sperma innerhalb von drei Monaten verbessert werden.

Ab 45 Jahren nimmt die DNA-Fragmentierung ohnehin deutlich zu. Dadurch erhöht sich das Risiko für kindlichen Krebs, Leukämien, metabolische Erkrankungen und neuropsychiatrische Erkrankungen. Bei IVF-Versagen kann eine medikamentöse Stimulation der Spermatogenese in Erwägung gezogen werden. Lebensstilfaktoren sind und bleiben also ein bedeutender Faktor hinsichtlich einer erfolgreichen Reproduktion, sowohl bei der Frau als auch beim Mann.

Dr. med. Christian Bruer

Literatur:

1. The ESHRE Guideline Group on RPL, Atik RB, et al. ESHRE guideline: recurrent pregnancy loss: an update in 2022. Hum Reprod Open 2023; 1: hoad002.

2. Coomarasamy A, et al. A randomized trial of progesterone in women with recurrent miscarriages. N Engl J Med 2015; 373: 2141–8.

3. Coomarasamy A, et al. A Randomized Trial of Progesterone in Women with Bleeding in Early Pregnancy. N Engl J Med 2019; 380: 1815–24.

4. Rode L, et al. Prevention of preterm delivery in twin gestations (PREDICT): a multicenter, randomized, placebo-controlled trial on the effect of vaginal micronized progesterone. Ultrasound Obstet Gynecol 2011; 38: 272–80.

5. Fonseca E, et al. Progesterone and the risk of preterm birth among women with a short cervix. N Eng J Med 2007; 357: 462–9.

6. Hassan S, et al. Vaginal progesterone reduces the rate of preterm birth in women with a sonographic short cervix: a multi­center, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Ultra­sound Obstet Gynecol 2011; 38: 18–31.

7. Norman J, et al. Vaginal progesterone prophylaxis for preterm birth (the OPPTIMUM study): a multicentre, randomised, double-blind trial. Lancet 2016; 387: 2106–16.

8. Rehal A, et al. Early vaginal progesterone versus placebo in twin pregnancies for the prevention of spontaneous preterm birth: a randomized, double-blind trial. Am J Obstet Gynecol 2021; 224: 86.e1–86.e19.

9. Tsibizova V, et al. Can we improve the outcome of pregnancies with low serum PAPP-A in the first trimester? J Matern Fetal Neonatal Med 2024; 37: 2326303.

Weitere Informationen und verantwortlich für den Inhalt:

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