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Gall C et al.  
Funktionserholung und Plastizität nach Schädigung der zentralen Sehbahn

Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2010; 11 (1): 18-30

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Abb. 1: Optikusneuritis Abb. 2: Gesichtsfeldmessung Abb. 3: Gesichtsfeldmessung Abb. 4: Eyetracking



Keywords: NeurologiePsychologievisuelles System

Das visuelle System ist auch jenseits der kritischen Entwicklungsperiode nicht fest verschaltet und unveränderlich. Auf allen Stufen der visuellen Informationsverarbeitung (Retina, Nucleus geniculatum laterale und primärer visueller Kortex) zeigt das Gehirn selbst bis ins hohe Alter eine gewisse Veränderlichkeit (Plastizität). Dies ist besonders deutlich nach Läsionen zu beobachten. So wurden Reorganisationsprozesse rezeptiver Felder und Veränderungen der kortikalen Aktivierungsmuster nach retinalen sowie prä- und postchiasmatischen Läsionen der zentralen Sehbahn gefunden. Hinweise auf neuronale Plastizität sind sowohl in Tiermodellen als auch bei Patienten mit Schädigungen der Retina (Makuladegeneration, Glaukom), des Nervus opticus (z. B. nach Trauma) und postchiasmatischen Arealen, insbesondere des primären visuellen Kortex (Hemianopsien) gefunden worden. An die durch die Schädigungen hervorgerufenen Gesichtsfelddefekte versucht sich das Gehirn in gewissen Grenzen anzupassen. Zeichen der Postläsions-Plastizität sind (1) Ausbildung exzentrischer Fixation bei fovealen Läsionen, (2) funktionelle Erholung in den ersten Wochen nach dem Schaden (Spontanremissionen), (3) pseudo-halluzinative Wahrnehmungen von Phosphenen und komplexeren Gebilden als Zeichen der kortikalen Hyperaktivierung sowie (4) Blindsight und Residualsehen in geschädigten Gesichtsfeldarealen. Selbst wenn der Prozess der spontanen Plastizität abgeschlossen ist, kann die Plastizität durch repetitive Stimulation von residualen Gesichtsfeldarealen mittels Sehtraining oder, wie erst kürzlich gezeigt, durch transorbitale Elektrostimulation wieder angeregt werden. Das Sehsystem hat somit ein Plastizitätspotenzial, das hinsichtlich seiner spontanen und induzierten Anpassungsfähigkeit nicht weniger ausgeprägt ist als in anderen funktionellen Systemen. Es gilt nun, dieses Plastizitätsund Reparaturpotenzial besser in der klinischen Anwendung zu nutzen.
 
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