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Medizinprodukte - Labortechnik: Intrakoronare Lithotripsie – Möglichkeiten und Grenzen

Journal für Kardiologie - Austrian Journal of Cardiology 2020; 27 (6): 258

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Keywords: Intrakoronare LithotripsieKardiologieMedizintechnikMT-KardiologieShockwave

Intrakoronare Lithotripsie – Möglichkeiten und Grenzen

Seit Jahrzehnten werden mit der fokussierten extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie Nierensteine zertrümmert und den Patienten damit Operationen erspart. Mit der fluoroskopischen oder sonographischen Zielvorrichtung sind die erforderlichen Geräte relativ groß.

Nun steht dieses Wirkprinzip für die Behandlung von schwer verkalkten Koronarstenosen zur Verfügung.

Genialerweise erzeugt man dabei die Schalldruckwellen in zwei Emittern innerhalb eines 12 Millimeter langen Ballons, der ein schlankes Profil von ­lediglich 1,3 mm hat und direkt in die Koronarstenose eingeführt werden kann. Damit ist keine Fokussierung nötig, die Schallwellen können radial auf die Kalkplaque einwirken.

Das Gerät, das die erforderliche Spannung zur Verfügung stellt, ist klein und tragbar. Es besteht aus einem aufladbaren Akku und der elektronischen Steuerung. Umbauten oder besondere Schutzvorrichtungen im Katheterlabor sind nicht erforderlich.

Auf Knopfdruck baut sich zwischen den Polen des winzigen Emitters eine Spannung von 3000 Volt auf. Ein Funke springt über und erzeugt blitzschnell eine Dampfblase, die implodiert und Schalldruckwellen verursacht. Das findet im mit 4 Atmo­sphären vor­gespannten ­Ballon statt. Die Füllung des Ballons mit verdünntem Kontrastmittel schützt die Ballonhaut vor der Hitze des Funkens und der Ballon überträgt die Energie der Schalldruckwelle mit kurzzeitig bis zu 50 Atmosphären Druck auf die Plaque.

Harte Plaqueanteile können nicht mitschwingen und bekommen Risse, vorwiegend in Längsrichtung der Arterie. In der Durchleuchtung kann man erkennen, wie sich der Ballon schrittweise entfaltet, während eine Serie von 10 solcher Impulse im Sekundenabstand auf die Stenose einwirkt. Danach wird der Druck im Ballon auf nur 6 bar erhöht und damit getestet, ob die Entfaltung ausreicht oder ob weitere der bis zu 8 möglichen Impulsserien nötig sind.

Die Anwendung ist unspektakulär, man hört nur ein leises Klicken im Sekundentakt und sieht im EKG Artefakte. Die Aus­lösung einer Arrhythmie ist möglich, aber wenig wahrscheinlich und wäre im Setting eines Katheterlabors leicht zu beherrschen.

In den Studien DISRUPT CAD I und II [1] wurden die Effizienz und die Sicherheit der Anwendung der intrakoronaren Lithotripsie bereits getestet. Erfreulicherweise zeigte sich dabei, dass bei beeindruckender Effizienz im Gegensatz zu alternativen Methoden wie zum Beispiel der Rotablation mit großen Bohrköpfen keine gefährlichen Komplikationen auf­traten, weder Gefäßperforationen noch Embolisationen oder der gefürchtete No-Reflow, das Sistieren des Blutflusses trotz mechanisch erfolgreicher Rotablation.

Aufgrund der Einfachheit und Sicherheit der Anwendung lässt sich die intrakoronare Lithotripsie in jedem Katheterlabor einsetzen. Sie passt gut in das aktuelle Konzept der Präzisionsangioplastie, die mittels intrakoronarer Bildgebung klar die Indikation für diese Art der Plaquebehandlung sichern kann.

Besonders geeignet ist die intrakoronare Lithotripsie für gut erreichbare proximal im Gefäßsystem gelegene zirkumferente und tiefreichende Verkalkungen, zum Beispiel im linken Hauptstamm [2] oder am Ostium der RCA. Durch optimale Größen­wahl des Stents und Sicherstellung einer vollständigen Entfaltung kann man eine bessere Langzeitprognose für den Patienten erwarten.

In nicht verkalkten Stenosen macht der Einsatz der Lithotripsie natürlich keinen Sinn. Wendet man sie dort an, könnte man sogar den falschen Schluss ziehen, die Methode sei unwirksam. Die elastischen Arterienwände sind nämlich imstande, die Schallwellen weiterzuleiten, ohne nennenswert Energie zu absorbieren.

Daher sollte man sich die Voruntersuchungen wie die koronare Computertomographie ansehen und IVUS oder OCT nützen, wenn man ihren Einsatz in Erwägung zieht. Je verkalkter die Stenose und je mehr der Zirkumferenz der Arterie betroffen ist, desto mehr Energie wird aus der Schallwelle aufgenommen und bereitet damit harte Plaque ideal für ein Stenting ohne Recoil vor. Nicht zu unterschätzen ist die Möglichkeit, verkalkte Angulationen der Koronararterien ausreichend nachgiebig zu gestalten, um die Passage eines Stents zu ermöglichen.

Bei langstreckigen Stenosen macht es Sinn, die Verteilung der verfügbaren Impulse gut zu planen und auf die am stärksten verkalkten Regionen zu konzentrieren. Der Einsatz in der schmalkalibrigen Gefäßperipherie oder im subintimalen Raum ist nicht ratsam [3].

Als neue Methode muss die intrakoronare Lithotripsie natürlich noch in Langzeit- und Mortalitätsstudien zeigen, wie dauer­haft die Ergebnisse sind und wie sie sich auf die Langzeitprognose auswirken.

Schon jetzt wird sie pragmatisch „off-­label“ als „bail-out“ angewendet, um bereits implantierte, aber nicht ausreichend expandierbare Stents in kalkigen Stenosen zu entfalten. Eine Erweiterung der Indikationsstellung in diese Richtung ist aufgrund zahlreicher erfolgreicher Fallberichte wahrscheinlich.

Literatur:

1. Ali ZA, Brinton TJ, Hill JM, et al. Optical coherence ­tomography characterization of coronary lithoplasty for treatment of calcified lesions: First Description. JACC Cardiovasc Imaging 2017; 10: 897–906.

2. Cosgrove CS, Wilson SJ, Bogle R, et al. Intravascular lithotripsy for the treatment of calcific distal left main disease. EuroIntervention 2020; Jaa-754 2020 ; doi: 10.4244/EIJ-D-19-01052.

3. Martin-Moreiras J, et al. Coronary perforation after ­intracoronary lithotripsy in a chronic total coronary occlusion. REC Interv Cardiol 2020. https://doi.org/10.24875/RECICE.M20000111

Korrespondenzadresse:
Dr. Stefan Harb
Universitätsklinik für Innere Medizin
A-8036 Graz, Auenbruggerplatz 15
E-Mail: stefan.harb@medunigraz.at

 
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