Köhn FM, Schuppe HC |
---|
Systemische Therapie und männliche Fertilität: Antihypertensiva // Sytemic therapy and male fertility Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2020; 17 (4): 151-152 Volltext (PDF) Volltext (HTML) Summary Keywords: Andrologie, Antihypertensivum, Fertilität, Hypertonie, Spermiogramm Systemische Therapie und männliche Fertilität: AntihypertensivaF.-M. Köhn1, H.-C. Schuppe2 Eingegangen und angenommen am 12. Juli 2020 (verantwortlicher Herausgeber: F.-M. Köhn, München) Aus dem 1Andrologicum München und der 2Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH – Standort Gießen Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Frank-Michael Köhn, Andrologicum München, D-80331 München, Burgstraße 7; E-Mail: info@andrologicum.com Die Prävalenz von Bluthochdruck beträgt bei Männern in der Altersgruppe mit Kinderwunsch bis ca. 20 %. Mögliche Einflüsse einer antihypertensiven Therapie auf die Spermaqualität sind daher von klinischem Interesse. Erschwert wird die Beurteilung dadurch, dass die Hypertonie selbst und damit assoziierte Komorbiditäten die Fertilität und Sexualfunktionen von Männern beeinträchtigen können. Erste Untersuchungen zu Wechselwirkungen zwischen antihypertensiv wirksamen Medikamenten und der Spermaqualität zeigen unter anderem mögliche Effekte auf Spermienmotilität, Spermienkonzentration und Ejakulatvolumen; zusätzlich werden Störungen der Fertilisierungskapazität von Spermien diskutiert. Qualität und Umfang der verfügbaren Studien erlauben aber noch keine abschließende Bewertung des Risikoprofils. Schlüsselwörter: Fertilität, Hypertonie, Antihypertensiva, Andrologie, Spermiogramm Sytemic therapy and male fertility. The prevalence of high blood pressure is approximately 20% in the age group of men with desire for children. Therefore, potential effects of antihypertensive agents on sperm quality may have clinical relevance. However, it is important to consider the association of hypertension itself and corresponding comorbidities with reduced male fertility and impaired sexual functions. Studies about side effects of antihypertensive agents on sperm quality have demonstrated, that they may reduce sperm motility, sperm concentration und semen volume. In addition, negative effects on the fertilizing capacity of human spermatozoa have been discussed. The quality of available studies, however, does not allow a final evaluation of the risk profile. J Reproduktionsmed Endokrinol 2020; 17 (4): 151–2. Key words: fertility, hypertension, antihypertensive agents, andrology, semen analysis EinleitungBei einer Vielzahl von Medikamenten sind Einflüsse auf die männliche Fertilität bekannt oder werden zumindest diskutiert [1]. Dabei sind negative Effekte durch die Beeinträchtigung von Sexualfunktionen (Libido, Erektion, Orgasmus, Ejakulation) oder direkte Auswirkungen auf die Spermatogenese oder Spermienfunktionen vorstellbar. Auch andere anatomische Strukturen als die Hoden selbst könnten betroffen sein, wie zum Beispiel Nebenhoden oder Prostata. Studien dazu gibt es für Antihypertensiva nicht. Erschwert wird die Beurteilung von Medikamentennebenwirkungen auf die männliche Fertilität dadurch, dass die Grunderkrankungen selbst, die mit den jeweiligen Medikamenten behandelt werden, mit Infertilität assoziiert sein können. Die Hypertonie ist schon aufgrund ihrer Häufigkeit und des Auftretens auch bei Männern im reproduktionsfähigen Alter eine der Erkrankungen, die besondere Berücksichtigung verdient. In Deutschland sind im Rahmen größerer Erhebungen Prävalenzen für Hypertonie von 8,1 %, 7,2 % und 19,9 % bei Männern der Altersgruppen 18–29 Jahre, 30–39 Jahre und 40–49 Jahre ermittelt worden [2]. Doch auch wenn ein Bluthochdruck assoziiert ist mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für männliche Infertilität, ist damit nicht zwingend eine Kausalität begründet, zumal bei infertilen Männern mit erhöhtem Blutdruck gleichzeitig andere Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Herzerkrankungen vorliegen, die ihrerseits die Fertilität beeinträchtigen können [3]. Die Verknüpfung von Gesundheit und männlicher Fertilität erlaubt somit eine erweiterte Sichtweise der andrologischen Abklärung, die im angelsächsischen Raum als „Male infertility as a window to health“ bezeichnet wurde [4]. Hypertonie und männliche FertilitätBei infertilen Patienten sind Komorbiditäten generell häufiger als bei fertilen Männern (21,7 % vs. 9,1 %). Dabei steht die Hypertonie mit 17,8 % bei Männern mit ungewollter Kinderlosigkeit im Vordergrund [5]. Hypertone Männer hatten im Vergleich zu Männern ohne Hochdruck in Studien ein geringeres Ejakulatvolumen (2,1 ml vs. 3,0 ml, p < 0,001), geringere Spermienmotilität (41,0 % vs. 47,0 %, p = 0,008), Gesamtspermienzahl (103,8 × 106 vs. 147,0 × 106, p = 0,005) und Gesamtzahl motiler Spermien (43,1 × 106 vs. 65,9 x 106, p = 0,003). Unter Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben der WHO war die Prävalenz für reduzierte Ejakulatparameter höher bei hypertonen Männern (Ejakulatvolumen: 18,1 % vs. 10,0 %, p = 0,03; Spermienkonzentration: 19,4 % vs. 12,2 %, p = 0,02); Gesamtzahl motiler Spermien: 25,8 % vs. 15,5 %, p = 0,01) [6]. Es gibt auch Hinweise, dass Männer mit Hypertonie eine schlechtere Spermienmorphologie aufweisen [7]. Antihypertensive Therapie und männliche FertilitätGrundsätzlich kann die Behandlung der Komorbiditäten bei infertilen Männern positive Effekte auf die Spermaqualität, insbesondere die Gesamtzahl motiler Spermien, haben [5]. Es müssen aber auch Effekte der Antihypertensiva selbst auf die Spermaqualität in Betracht gezogen werden. Guo et al. [6] konnten die Daten von 1167 Männern aus ihrer Infertilitätssprechstunde auswerten, bei denen Informationen zu eingenommenen Medikamenten vorlagen. Von diesen Männern nahmen 88 ein Antihypertensivum und 45 zwei oder mehr Antihypertensiva ein. Verglichen mit Männern ohne Medikamente wiesen nur jene Männer mit einem Antihypertensivum eine statistisch signifikante Abnahme des Ejakulatvolumens auf (2,0 ml vs. 2,5 m, p = 0,05). Die Spermienzahlen waren nur tendenziell niedriger (p = 0,07). Wurden die Daten nach den einzelnen Substanzklassen der eingenommenen Medikamente ausgewertet, zeigte sich, dass Männer mit Betablockern im Vergleich zu Männern ohne Medikamente reduzierte Ejakulatvolumina, Spermienkonzentrationen und Motilität aufwiesen (p < 0,05). Männer mit Kalziumkanalblockern hatten eine geringere Spermienkonzentration und Männer mit Angiotensin-Rezeptorblockern geringere Ejakulatvolumina und Spermienkonzentrationen. Männer mit Angiotensin converting enzyme- (ACE-) Inhibitoren hatten geringere Ejakulatvolumina und Spermienbeweglichkeit, während Männer mit Diuretika nur ein geringeres Ejakulatvolumen aufwiesen [6]. Bei dieser Studie muss die niedrige Zahl der untersuchten Männer berücksichtigt werden. Zudem wurde nicht differenziert, wie gut bei den behandelten Männern der Hypertonus eingestellt war und welche weiteren Komorbiditäten vorlagen. Einzelne Antihypertensiva wie die ACE-Inhibitoren wurden sogar bezüglich möglicher positiver Effekte auf die Spermaqualität diskutiert [8]. Ein umfassende Zusammenstellung von Studien über den Einfluss von Medikamenten auf die männliche Fertilität findet sich bei Semet et al. [9] und Krause [10]. Bei Substanzen, die zur Therapie von Bluthochdruck eingesetzt werden, wurden folgende Wirkungen beschrieben:
Methyl-Dopa: Indirekte Schädigung der Spermatogenese durch Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse als Folge einer Hyperprolaktinämie im Tierversuch mit Ratten. Der Evidenzlevel der dazu ausgewerteten Untersuchungen wird aber durchgehend als „sehr gering“ angegeben, d. h. es handelte sich um Kasuistiken und Tierversuche. Eine abschließende Bewertung ist daher bis zur Vorlage geeigneter, kontrollierter Studien nicht möglich [11]. Relevanz für die Praxis
Es besteht kein Interessenkonflikt. Literatur: 1.Köhn FM, Schuppe HC. Umweltfaktoren und männliche Fertilität. Der Urologe 2016; 55: 877–82. 2.Neuhauser H, Thamm M, Ellert U. Blutdruck in Deutschland 2008–2011. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl 2013; 56: 795–801. 3.Kasman AM, Li S, Luke B, Sutcliffe AG, Pacey AA, Eisenberg ML. Male infertility and future cardiometabolic health: Does the association vary by sociodemographic factors? Urology 2019; 133: 121–28. 4.Choy JT, Eisenberg ML. Male infertility as a window to health. Fertil Steril 2018; 110: 810–14. 5.Shiraishi K, Matsuyama H. Effects of medical comorbidity on male infertility and comorbidity treatment on spermatogenesis. Fertil Steril 2018; 110: 1006–11. 6.Guo D, Li S, Behr B, Eisenberg ML. Hypertension and male fertility. World J Mens Health 2017; 35: 59–64. 7.Eisenberg ML, Li S, Behr B, Reijo Pera R, Cullen MR. Relationship between semen production and medical comorbidity. Fertil Steril 2015; 103: 66–71. 8.Schill WB, Parsch EM, Miska W. Inhibition of angiotensin-converting enzyme--a new concept of medical treatment of male infertility? Fertil Steril 1994; 61: 1123–8. 9.Semet M, Paci M, Saïas-Magnan J, Metzler-Guillemain C, Boissier R, Lejeune H, Perrin J. The impact of drugs on male fertility: a review. Andrology 2017; 5: 640–63. 10.Krause WKH. Drugs compromising male sexual health. 1. Aufl. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo, 2008. 11.Laganà AS, Vitale SG, Iaconianni P, Gatti S, Padula F. Male infertility during antihypertensive therapy: are we addressing correctly the problem? Int J Fertil Steril 2016; 10: 267–9. |