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Knuth UA, Uszkoreit M  
Telemedizin bei Kinderwunsch nicht nur in Zeiten der Coronapandemie // Tele-medicine not only during COVID-19 pandemic

Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2021; 18 (1): 29-32

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Keywords: COVID-19-PandemieTelemedizin

Telemedizin bei Kinderwunsch nicht nur in Zeiten der Coronapandemie

Grundsätzliche Überlegungen und Hilfsmittel zur Umsetzung in der täglichen Routine gynäkologischer Praxen und ­reproduktionsmedizinischer Zentren

U. A. Knuth1, M. Uszkoreit2

Eingegangen am 10. November 2020, angenommen am 24. November 2020 (verantwortlicher Rubrik-Herausgeber: C. Thaler, München)

Aus 1Kinderwunsch Valentenshof, Hamburg, und 2Geschäftsführung des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ), Berlin

Korrespondenzadresse: Privatdozent Dr. med. Ulrich A. Knuth, Kinderwunsch Valentinshof, D-20355 Hamburg, Caffamacherreihe 8; E-Mail: UAKnuth@gmail.com

Diagnostik und erste Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches beginnt in den allermeisten Fällen durch den langjährigen Frauenarzt der betroffenen Patientinnen. Die Fortsetzung der Behandlung durch einen Spezialisten der Reproduktionsmedizin schließt sich häufig an. Dabei stellt sich die Frage, ob Anamneseerhebung und Bewertung bereits erhobener Befunde unbedingt die räumliche Nähe von Patientenpaar und Arzt voraussetzt. Moderne Methoden der Telekommunikation könnten diese Interaktion ergänzen oder gar ersetzen. Die Erhebung der Einflussfaktoren und die anschließende Beratung über sinnvolle Behandlungsformen könnten im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden und helfen, die Kinderwunschmedizin zu verbessern.

Um die Betreuung durch den Frauenarzt mit reproduktionsmedizinischer Expertise zu ergänzen, haben der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und der Bundesverband der Reproduktionsmedizinischen Zentren (BRZ) bereits vor der COVID-19-Pandemie ein telemedizinisches Kinderwunschkonsil entwickelt. Die daran teilnehmenden gynäkologischen Praxen sind dabei mit einem eingeschriebenen Kinderwunschzentrum vernetzt. Frauen und Paare können zunächst gemeinsam mit Experten für Reproduktionsmedizin über ein virtuelles Konsil beraten werden. Dabei werden standardisierte Anamnesefragebögen verwendet und diese Angaben mit aktuellen Daten aus einem digitalen Zykluskalender ergänzt, der für die Frauen über eine App verfügbar ist.

Das Potenzial einer derartigen Videosprechstunde und die technischen Voraussetzungen werden diskutiert. Abrechnungsmöglichkeiten werden dargestellt. Die Wichtigkeit des Datenschutzes mithilfe des Data Split®-Verfahrens wird erläutert. Auch nach der COVID-19-Pandemie sollten die Möglichkeiten der Telemedizin im Rahmen der Kinderwunschbehandlung verstärkt ausgebaut werden, wozu insbesondere eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur in Deutschland dienen muss.

Schlüsselwörter: Telemedizin, COVID-19-Pandemie

Tele-medicine not only during COVID-19 pandemic. In the vast majority of cases, diagnosis and initial treatment of unwanted childlessness is provided by the patient’s general gynecologist, often but not always followed by treatment in a center for reproductive medicine. Whether the history and evaluation of medical data necessarily require the physical proximity of the patient couple and the physician is debatable. Modern methods of telecommunication could very well supplement or even replace this preliminary interaction. The survey of the medical parameters and the subsequent decision on the appropriate treatment could very well be performed by video consultations. Already months prior to the onset of the COVID-19 pandemic, the Professional Association of Gynecologists (BVF) and the Federal Association of Centers for Reproductive Medicine (BRZ) started the development of a telemedical fertility consultation app to support the gynecologists in this particular decision-making process. The participating gynecological practices are networked with a registered fertility center, thus establishing an initial consultation with experts in reproductive medicine. The standardized patient questionnaires are supplemented with current data from a menstrual cycle app.

The article discusses the potential of video consultations and the technical requirements, demonstrating billing options and the importance of data protection by the implementation of Data Split®. Making use of the digital infrastructure in Germany, the potential of tele medicine should increasingly be expanded way beyond the COVID-19 pandemic. J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (1): 29–32.

Key words: tele-medicine, COVID-10 pandemic

Einleitung

Fruchtbarkeitsstörungen betreffen Millionen von Paaren, wobei die Tendenz in Deutschland während der letzten Jahre anstieg [1]. Unerfüllter Kinderwunsch kann viele Ursachen haben und stellt die behandelnden Ärzte häufig vor komplexe Fragestellungen. Organische Ursachen, hormonelle Störungen, aber auch ungünstige Lebensstilfaktoren und bestimmte Umwelteinflüsse können zu einer Verringerung der Fertilität bei Mann und Frau führen. Der erste Ansprechpartner im Falle des unerfüllten Kinderwunsches ist in den allermeisten Fällen immer noch der langjährige Frauen­arzt der betroffenen Patientinnen, der die ersten Maßnahmen zur Diagnostik und Behandlung einleitet.

Die behandelnden Frauenärzte stehen dabei häufig vor dem Problem, beurteilen und entscheiden zu müssen, ob Paare mit unerfülltem Kinderwunsch eine umfassende reproduktionsmedizinische Diagnostik und gegebenenfalls Maßnahmen der assistierten Reproduktion benötigen oder ob durch veränderte Lebensstilfaktoren und Verhaltensänderungen bereits eine Schwangerschaft erlangt werden kann – ohne dass psychisch und physisch belastende sowie kostspielige Therapien notwendig werden.

In reproduktionsmedizinischen ­Zentren, die die 3. Zuweisungsstufe bei der Infertilitätstherapie darstellen, geht grundsätzlich einer IVF- oder gar ICSI-Maßnahme die Beratung und Bewertung bereits vorliegender Befunde voraus. Dabei tritt die Gesprächsleistung beim Erstbesuch in den Vordergrund, die nicht notwendigerweise und direkt technische Leistungen auslöst.

Gerade in dem sensiblen Bereich des unerfüllten Kinderwunsches ist dabei die Interaktion zwischen Arzt und dem betroffenen Paar von großer Bedeutung, sodass auf die nicht verbale Kommunikation besonderer Wert gelegt werden muss.

Analysiert man die Abläufe im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung, so stellt sich die Frage, ob der wesentliche Schritt der Anamneseerhebung und Bewertung bereits erhobener Befunde unbedingt die räumliche Nähe von Patientenpaar und Arzt voraussetzt. Moderne Methoden der Telekommunikation könnten diese Interaktion durchaus ergänzen oder gar ersetzen. Die Möglichkeiten einer Videosprechstunde hat im Rahmen der 1. Corona-Pandemiewelle bei der Kinderwunschbehandlung insbesondere in Ländern, die stärker als Deutschland von Infektionen betroffen waren, eine umfassende Diskussion über das Für und Wider einer telemedizinischen Betreuung ausgelöst [2].

Anhand vorhandener Bewertungsschemata lässt sich mit wenigen Parameter die Wahrscheinlichkeit einer Spontangravidität innerhalb des nächsten Jahres abschätzen [3]. Je nach Höhe des Wertes lassen sich die Weichen für die Behandlungsempfehlung stellen. In den Niederlanden wird dieses Vorgehen im Rahmen der Kinderwunschbehandlung bereits empfohlen. Liegt die geschätzte Wahrscheinlichkeit für eine Gravidität innerhalb des Folgejahres über > 40 %, wird zu einem abwartenden Management über 6 bis 12 Monate geraten. Liegt der Wert zwischen 30 % und 40 %, kann das weitere Vorgehen diskutiert werden. Liegt die Prognose < 30 %, sollte die Behandlung unmittelbar begonnen werden.

Die Erhebung der Einflussfaktoren und die anschließende Beratung über die Klassifizierung könnte im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden und helfen, die optimale Behandlung un­erwünscht kinderloser Paare zu verbessern.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurde dieses Konzept in Deutschland aber bislang nicht eingesetzt. Dies ging in der Vergangenheit eventuell auch auf die fehlende Infrastruktur und die fehlende Notwendigkeit neuer Behandlungsmethoden zurück.

Seit 2018 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) digitale Gesundheitslösungen ausgebaut: Telematik-­Infrastrukturen (TI) wurden geschaffen, medizinische Einrichtungen wurden daran angebunden sowie ein Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) eingeführt. Im Dezember 2019 verabschiedete der Bundestag das Digitale Versorgung-Gesetz (DVG). Seit April 2017 war es Ärzten bereits möglich, Video-Konsultationen zu bestimmten Indikationen bei Patientengruppen als Regelleistung mit eigener EBM-Ziffer abzurechnen. Allerdings waren Fernkonsultationen in Deutschland bislang nicht erlaubt. Zum 1. April 2020, mit Definition und unter Druck der Pandemie, wurden die geltenden Beschränkungen dafür gelockert und Ärzte dürfen seitdem ­unbegrenzt viele Patientinnen und Patienten in digitalen Sitzungen „be­handeln“.

Telemedizin im Lockdown

Die Notwendigkeit der Versorgung von Patienten mithilfe von Telemedizin wurde mit dem Lockdown überdeutlich und hat viele Entwicklungen beschleunigt. Wenn die COVID-19-Pandemie in Deutschland einige Jahre früher ausgebrochen wäre, hätte es deutlich mehr Schwierigkeiten bei dem Ausbau einer telemedizinischen Sprechstunde gegeben. Davon ist Dr. Henrik Matthies, ­Managing Director des Health Innovation Hub (hih) des BMG, überzeugt.

Nicht nur können die eindeutig erhöhten Ansteckungsrisiken in überfüllten Wartezimmern vermieden werden, auch die Risiken und Erschwernisse langer Anfahrtswege entfallen. Inzwischen werden die Kosten solcher Telemedizinleistungen, erbracht unter Verwendung der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifizierten Programme, von den Krankenkassen übernommen. Unter dem Druck von COVID-19 hat die KBV erfreulicherweise viele Hürden beseitigt. Dazu gehören Krankmeldungen ohne persönlichen Kontakt und vieles mehr.

Auch bei den Patienten bewirkte die ­Corona-Pandemie ein Umdenken und die Akzeptanz virtueller Arztbesuche stieg deutlich, wie eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom von März 2020 zeigt: Zwei Drittel der Befragten waren der Meinung, Ärzte sollten Online-Sprechstunden anbieten, um die Ansteckungsgefahr in der Praxis zu reduzieren [4].

Telemedizinisches Kinderwunschkonsil

Um die Betreuung durch den Frauenarzt mit reproduktionsmedizinischer Expertise zu ergänzen, haben der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und der Bundesverband der Reproduktionsmedizinischen Zentren (BRZ) bereits vor der COVID-19-Pandemie ein telemedizinisches Kinderwunschkonsil entwickelt. Dadurch soll die Komplexität der Betreuung und Therapie des unerwünscht kinderlosen Paares durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen, Reproduktionsmedizinern und Andrologen strukturiert umgesetzt werden.

Die Nutzung der Telemedizin bot sich dabei bereits vor der Corona-Pandemie an, da abgesehen von den Ballungsräumen die 139 IVF-Zentren, die aktuell im Jahrbuch des Deutschen IVF-Registers (D·I·R) gelistet sind, ungleichmäßig über Deutschland verteilt sind. Dies bedingt mitunter lange Anfahrtswege für ein Beratungsgespräch, um zu entscheiden, ob eine Kinderwunschbehandlung in einem Zentrum nötig ist oder zunächst weniger komplexe Behandlungsformen vor Ort versucht werden können. Für die betroffenen Paare ist das mit einer zusätzlichen Belastung verbunden. Nicht selten werden daher Termine wegen der problematischen Erreichbarkeit der Zentren aufgeschoben oder erst gar nicht vereinbart. Ein Dilemma, denn der Faktor Zeit spielt gerade bei der Therapie des unerfüllten Kinderwunsches auf weiblicher Seite eine bedeutsame Rolle. ­Hernandez et al. 2020 konnten zeigen, dass die Einrichtung einer telemedizinischen Interventionsmöglichkeit die Diagnosefindung beschleunigt und den Weg zu Maßnahmen der assistierten Reproduktion verkürzt [5].

Ein derartiges Kinderwunschkonsil zwischen allgemeiner Frauenarztpraxis und Spezialisten in den reproduktionsmedizinischen Zentren wird vermutlich Anfang des Jahres 2021 zur Verfügung stehen. Eine telemedizinische Anfrage wird im Rahmen eines so genannten Selektiv-Vertrages zur besonderen Versorgung (§ 140a SGB V) vergütet. Es handelt sich dabei um ein extrabudgetäres Honorar, das aus der Gesamtvergütung herausgerechnet wird. Die Teilnahme der Krankenkassen ist – im Gegensatz zur Kollektivversorgung – freiwillig. Nach Inkrafttreten des Vertrages werden fast alle Betriebskrankenkassen (BKK) und auch viele Private Versicherer (PKV) das telemedizinische Konsil zwischen niedergelassenen Gynäkologen und Reproduktionsmedizinern für ihre Versicherten erstatten. Die Teilnahme am Vertrag erfolgt für Ärzte und Patienten online durch eine digitale Einschreibung. Nähere Informationen dazu werden die Mitglieder von BRZ und BVF nach Vertragsabschluss erhalten.

Praxis-App „Mein Frauenarzt“

Die am Kinderwunschkonsil teilnehmenden gynäkologischen Praxen sind mit den eingeschriebenen Kinderwunschzentren vernetzt. Frauen und Paare können zunächst gemeinsam mit Experten für Reproduktionsmedizin über ein virtuelles Konsil beraten werden. Dabei werden standardisierte Anamnesefragebögen verwendet und diese Angaben mit aktuellen Daten aus einem digitalen Zykluskalender ergänzt, der für die Frauen über eine App verfügbar ist. Diese App hat der Berufsverband der Frauenärzte als Arzt-Patientinnen-Kommunikation bereits 2017 eingeführt. Die Praxis-App „Mein Frauenarzt“ informiert die Nutzerinnen daneben über gynäkologische Erkrankungen, erinnert an wichtige Termine, wie die jährliche Krebsvorsorge, und verfügt auch über eine zertifizierte Videosprechstunde. Der in diese App ebenfalls integrierte interaktive Zykluskalender bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Temperatur, die Beschaffenheit des Zervixschleims und die Häufigkeit und den Zeitpunkt der Kohabitation einzugeben. Diese gesammelten Informationen stehen dann sowohl dem Gynäkologen als auch dem konsultierten Reproduktionsmediziner zur Verfügung (Abb. 1).

In dieses Programm ist auch eine zertifizierte Videosprechstunde implementiert (https://www.kbv.de/media/sp/Liste_zertifizierte-Videodienstanbieter.pdf) und kann für alle Patientinnen – unabhängig von der Krankenkasse – eingesetzt und abgerechnet werden. Dafür hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine Vergütungsübersicht zusammengestellt, die online verfügbar ist (https://www.kbv.de/media/sp/Videosprechstunde__uebersicht_Verguetung.pdf).

Unabhängig vom Einsatz im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung ­können Ärzte ihre Patientinnen nun nach einer Untersuchung mit der zertifizierten Video­sprechstunde krankschreiben. ­Voraussetzung ist, dass die Krankheit per Video untersucht werden kann und die Patientin in der Praxis persönlich bekannt ist. Eine Krankschreibung per ­Video kann bei erstmaliger Feststellung für maximal sieben Kalendertage ausgestellt werden. So lauten die Rahmenbedingungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (­G- BA) für diese neue Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie beschlossen hat [6]

Der Zugang zu Videosprechstunden soll nach Plänen des Gesundheitsministers wie bei Terminservicestellen verbessert werden. Ein 15-seitiges Eckpunktepapier des Ministeriums zum geplanten 3. Digitalisierungsgesetz ist bereits erschienen [7].

Auch die bisher geltende Leistungsbegrenzung von 20 auf 30 % soll angehoben werden. Auch während der sprechstundenfreien Zeiten sollen ­Videosprechstunden möglich sein.

Die Praxis-App „Mein Frauenarzt“ erfüllt genau diese Kriterien und ermöglicht darüber hinaus, dass eine entsprechende Arbeitsunfähigkeits- (AU-) Bescheinigung im Anschluss an eine erfolgte Videosprechstunde direkt auf das Smartphone der Patientinnen verschickt werden kann. Dies hilft, Ansteckungen in der Praxis zu vermeiden. Praxen, die die Praxis-App „Mein Frauenarzt“ nutzen, bieten ihren Patientinnen an, sich in der App bei ihrem Arzt zu registrieren. Dies erfolgt über einen QR-Code, der z. B. per Mail oder SMS versandt werden kann, oder über Informationsflyer, die in der Praxis verteilt werden. Durch die selbständige Registrierung der eigenen Patientinnen können Videosprechstunden ganz einfach aus der Praxis mit den Patientinnen durchgeführt werden. Sollte bei der Videountersuchung eine Erkrankung festgestellt werden, kann dann die ausgefüllte AU-Bescheinigung z. B. über die Nachrichten- oder Chatfunktion direkt als Anhang auf das Smartphone der Patientin verschickt werden.

Datenschutz

Datenschutz und Datensicherheit sind zentrale Elemente für die Telemedizin. Hierfür entwickelte der IT-Dienstleister, die Firma Monks aus München, das sogenannte Data-Split®-Verfahren. Dabei werden die persönlichen Daten des Patienten von seinen medizinischen Daten (zum Beispiel Anamnese, Befunde, Diagnostik) getrennt. Somit enthalten die medizinischen Daten keine personenbezogenen Informationen. Die Übertragung der verschiedenen Datenpools erfolgt auf separate Server, die sich in einem deutschen Rechenzentrum befinden und dem deutschen Datenschutzrecht unterliegen. Der konsultierte Experte kann die Daten nur durch seinen „Private Key“, also dem privaten Schlüssel, der mit dem Programm-Download lokal auf seinem Rechner installiert wird, einem Patienten zuordnen und entschlüsseln (Abb. 2).

Ohne Zweifel wird auch nach der ­COVID-19-Pandemie die Telemedizin neuer Bestandteil in unseren Praxen werden. Standesvertretungen und Berufs­verbände werden hier neue Regularien und Abrechnungsmethoden entwickeln müssen, um diesen wichtigen Bestandteil der medizinischen Versorgung für alle Seiten zu optimieren.

Bei allen Vorteilen dürfen die Nachteile nicht übersehen werden. Telemedizin in der Reproduktionsmedizin wird in unseren Augen auf den Bereich der Beratung und Anamneseerhebung beschränkt bleiben. Die Unmöglichkeit, eine telemedizinische körperliche Untersuchung durchzuführen und entsprechende Befunde zu erheben, wird nach wie vor die Präzenssprechstunde fordern. Für die erste Beratung und Zusammenführung bereits vorhandener Daten aber sollten die Möglichkeiten der Telemedizin auch über die Corona-Zeit hinaus genutzt werden. Die geplante e-Patientenakte wird dabei mit Sicherheit hilfreich sein [8].

Digitalisierung in Deutschland

Bei all den Überlegungen zu einer Videosprechstunde und Telemedizin geht man von optimalen Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Beteiligten aus. Dies ist leider nicht der Fall. Dass Deutschland bei der Digitalisierung selbst innerhalb der Ballungsbereiche erhebliche Mängel bei der Infrastruktur der Internetversorgung aufweist, beeinflusst leider auch das Potenzial bei einer Videosprechstunde. Wenn kein lückenloses Funknetz und keine gute Onlineanbindung bestehen, wird kein erfolgreiches Arzt-Patienten-Gespräch und kein notwendiges Ver­trauensverhältnis aufgebaut werden können.

40 % der Psychotherapeuten auf dem Land und 25 % in der Stadt klagen laut Umfrage der Bundespsychotherapeutenkammer über wackelige Internet-Verbindungen bei Videosprechstunden [9].

Hier wird noch viel zu tun sein!

Interessenkonflikt

UAK hat in der Vergangenheit Vortragshonorare von MSD Sharp Dohme, Ferring Arzneimittel, Merck Serono GmbH und Theramex erhalten und wurde von den Firmen zu Fachkongressen eingeladen. Als kommissarischer Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ) vertritt er die Interessen der Verbandsmittglieder.

MU: Im Rahmen der Geschäftsführung des BRZ vertrete ich die Interessen des Verbands und seiner Mitglieder.

Literatur:

1. Wippermann C, Ungewollte Kinderlosigkeit 2020, Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Referat Öffentlichkeitsarbeit, 11018 Berlin; www.bmfsfj.de

2. Clavijo R, Ramasamy R, Halpern J, et al. ‘‘Online’’ and ‘‘at-home’’ versus traditional models of health care: enhancing access or impeding optimal therapeutics? Fertil Steril 2020; 114: 476–82.

3. Hunault CC, Habbema JDF, Eijkemans MJC, et al. Two new prediction rules for spontaneous pregnancy leading to live birth among subfertile couples, based on the synthesis of three previous models. Hum Reprod 2004; 19: 2019–26.

4. Olesch A. Germany benefits from digital health infrastructure during COVID-19 pandemic. Healthcare IT News, March 26, 2020 12:20 PM;
https://www.healthcareitnews.com/news/europe/
germany-benefits-digital-health-infrastructure-during-covid-19-pandemic

5. Hernandez C, Valdera CJ, Cordero J, et al. Impact of tele­medicine on assisted reproduction treatment in the public health system. J Healthc Qual Res 2020; 35: 27–34.

6. G-BA Pressemitteilung Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie: Krankschreibung künftig per Videosprechstunde möglich; https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen/879/

7. Olk J. Eckpunktepapier Videosprechstunde, digitale Pflege, Datennetz: Spahn plant weiteres Digitalgesetz. Handelsblatt 20 10 20; https://www.handelsblatt.com/
politik/deutschland/eckpunktepapier-videosprechstunde-digitale-pflege-datennetz-spahn-plant-weiteres-­digitalgesetz/26291740.html?ticket=ST-5384488-
dcIGdaTqMldQ9NwGTgAa-ap1

8. Digitales Gesundheitswesen. Vom Stammdatenabgleich zur Patientenakte – der Plan zur Einführung der TI-An­wendungen im Überblick. digitales-gesundheitswesen.de, zuletzt aktualisiert am 14. September 2020;
(https://digitales-­gesundheitswesen.de/vom-­stammdatenabgleich-zur-patientenakte-der-plan-zur-­einfuehrung-der-ti-anwendungen-im-ueberblick/)

9. Ärzte Zeitung. https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Fernbetreuung-von-Patienten-boomt-in-der-Corona-Pandemie-414414.html

Alle Links zuletzt gesehen: 24.11.2020


 
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