Krüssel JS et al. | ||||||||||||||||||||||
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Reproduktionsmedizin in Zeiten von SARS-CoV-2: Behandlungszahlen in Deutschland trotz Pandemie gestiegen // Reproductive Medicine during SARS-CoV-2-pandemic Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie - Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology 2021; 18 (1): 40-44 Volltext (PDF) Volltext (HTML) Summary Keywords: Behandlungszahl, Corona, COVID-19, Deutsches IVF-Register, D·I·R, IVF-ICSI-Zyklus, IVF-Zentrum, SARS-CoV-2 Reproduktionsmedizin in Zeiten von SARS-CoV-2: Behandlungszahlen in Deutschland trotz Pandemie gestiegenJ.-S. Krüssel1*, M. Kimmel2, U. Czeromin3*, A. Tandler-Schneider4* Eingegangen am 15. Februar 2021, angenommen am 16. Februar 2021 (verantwortlicher Rubrik-Herausgeber: C. Thaler, München) Aus: 1Universitäres interdisziplinäres Kinderwunschzentrum Düsseldorf (UniKiD), 2Geschäftsstelle des D·I·R®, Düsseldorf, 3Kinderwunschpraxis Gelsenkirchen, 4Fertility Center Berlin *Vorstand des Deutschen IVF-Registers (D·I·R)® Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel, Universitäres interdisziplinäres Kinderwunschzentrum Düsseldorf (UniKiD), D-40225 Düsseldorf, Moorenstraße 5; E-Mail: kruessel@unikid.de Das Jahr 2020 stand spätestens seit dem ersten Lockdown im März des Jahres unter dem Schatten der SARS-CoV-2-Pandemie. Unser Gesundheitssystem ist vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt worden, ob die Reaktionen der (berufs-)politischen Entscheidungsträger/-innen hierzu sich in Nachhinein als richtig oder falsch herausstellen werden, vermag derzeit noch niemand abzuschätzen. Auch der Bereich der Reproduktionsmedizin war bereits sehr früh betroffen, da z. B. universitären Zentren auf Anordnung der Gesundheitsministerien die Kinderwunschbehandlung untersagt wurde, um Ressourcen für die Behandlung SARS-CoV-2-erkrankter Menschen vorzuhalten. Andere Zentren haben aus Vorsicht und aus Verantwortung den Patientinnen gegenüber die Behandlungen zeitweise komplett eingestellt oder zahlenmäßig reduziert. Das Deutsche IVF-Register (D·I·R) hat im Januar 2021 eine Sonderauswertung der Behandlungsdaten durchgeführt, 113 Zentren haben ihre Behandlungsdaten zur Verfügung gestellt. Die hier vorliegende Arbeit stellt die wichtigsten Ergebnisse vor, eine vollständige Aufstellung findet sich auch auf der D·I·R-Homepage. Schlüsselwörter: COVID-19, Corona, SARS-CoV-2, IVF-ICSI-Zyklen, Deutsches IVF-Register, D·I·R, IVF-Zentren, Behandlungszahlen Reproductive Medicine during SARS-CoV-2-pandemic. The SARS-CoV-2-pandemic has had a worldwide impact on every human being. The health system in Germany had to adapt in the shortest possible time. Reproductive medicine was greatly affected already early during the pandemia: many university based IVF-units were closed by order of the health ministries to gather human resources for treating potential patients infected by COVID-19. Many private centers reduced the number of patients or stopped treating patients altogether due to the fact that information on the potentially harmful effects of COVID-19 on pregnancy or gametes was sparce. The German IVF-registry (D·I·R) has performed a special analysis on the situation of ART in 2020. 113 German IVF-centers have responded by exporting their data. This paper shows the most important results, the complete results can be requested at the D·I·R-Geschäftsstelle. J Reproduktionsmed Endokrinol 2021; 18 (1): 40–4. Key words: COVID-19, corona, SARS-CoV-2, ART-cycles, German IVF Registry, D·I·R, IVF centers, cycle-numbers EinführungAls Ende 2019 die ersten Berichte über eine neuartige Lungenentzündung mit schwerwiegenden Verläufen aus China auftauchten, konnte noch niemand abschätzen, dass sich diese Virus-Pneumonie unter dem Namen SARS COVID-19 als Pandemie innerhalb kürzester Zeit um die ganze Welt verbreiten würde. Auch über ein Jahr später hat der Virus die Welt noch fest im Griff, die Auswirkungen auch auf unser Land waren Ende 2019 unvorstellbar. Einschränkungen des täglichen Lebens finden sich in allen Bereichen des beruflichen und privaten Lebens, auch die Kinderwunschbehandlungen in Deutschland waren und sind von der Pandemie betroffen. Am 3. März 2020 kam es zur ersten Schließung eines reproduktionsmedizinischen Zentrums in Deutschland. Der Leiter dieses Hamburger Zentrums war nach einem Italienurlaub positiv getestet worden, daraufhin wurde Quarantäne für alle Mitarbeiter angeordnet und das Zentrum für zwei Wochen geschlossen. Eine Woche später war ein weiteres deutsches reproduktionsmedizinisches Zentrum betroffen: Nach Rückkehr eines Mitarbeiters aus dem Skiurlaub in Österreich kam der Kollege symptomfrei regulär zur Arbeit ins UniKiD Düsseldorf, entwickelte dann Symptome und wurde am nächsten Tag positiv getestet. Daraufhin wurden für alle an dem Tag anwesenden Mitarbeiter die häusliche Quarantäne angeordnet, die verbleibenden 8 Kollegen führten die laufenden Behandlungszyklen kontrolliert zu Ende, die gewonnenen Eizellen und Vorkernstadien wurden zunächst kryokonserviert. Dann überschlugen sich die Ereignisse: die Infektionszahlen stiegen stetig an, Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken wurden knapp, Großveranstaltungen wurden abgesagt. Die chronologischen Abläufe der aus medizinischer und gesundheitspolitischer Sicht wichtigen Ereignisse finden sich auf der Homepage des Bundeministeriums für Gesundheit zusammengestellt [1]. Am 12. März 2020 forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einem Brief an alle deutschen Krankenhäuser diese auf, „angesichts der Coronakrise zusätzliches Personal zu rekrutieren“. Er forderte die Kliniken zudem auf, „planbare Operationen und Eingriffe jetzt zu verschieben.“ [1]. Zur Abmilderung der finanziellen Folgen wurde in Aussicht gestellt, „dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser seitens der gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit kommt. Im Gegenzug gibt es zusätzlich einen Bonus für jedes Intensivbett, das zusätzlich provisorisch geschaffen und vorgehalten wird.“ [1]. Dies führte zu drastischen Einschnitten für die reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland. Nahezu allen universitären reproduktionsmedizinischen Zentren wurde seitens der Vorstände ein komplettes Behandlungsverbot ausgesprochen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden teilweise innerhalb der Universitätskliniken zur Arbeit in SARS-CoV-2-relevanten Bereichen umverteilt. Auch die im privaten Bereich angesiedelten reproduktionsmedizinischen Zentren wurden vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Die Dynamik der Infektionszahlen war nicht absehbar, ebenfalls gab es keine validen Daten zu möglichen Einflüssen einer Infektion auf die Kinderwunschbehandlung, die mögliche Transmission des Virus über Sperma oder Eizellen im Rahmen der In-vitro-Fertilisation (IVF) oder zum Einfluss einer Infektion während der Schwangerschaft. Ein Teil der Zentren hatte daraufhin freiwillig den drastischen Entschluss gefasst, bis auf Weiteres keine neuen Behandlungen zu starten, in anderen Zentren wurden teils weitreichende organisatorische Maßnahmen getroffen, um das Infektionsrisiko weitestgehend zu minimieren. Diese beinhalteten z. B. komplette Teamtrennung, größtmögliche Reduzierung der Patientenkontakte vor Ort durch Implementierung von Video- oder Telefonsprechstunden, Reduzierung der Behandlungszahlen (teilweise auch unter Einführung von Kurzarbeit) oder Verzicht auf Embryotransfers und Kryokonservierung der Eizellen/Vorkernstadien/Embryonen bis zum Vorliegen weiterer Daten. Insofern stellte sich schon bald die Frage, wie sich die genannten Einschränkungen kurz- und mittelfristig auf die Situation der Kinderwunschbehandlung in Deutschland auswirken würden. Sonderauswertungen des Deutschen IVF-Registers (D·I·R) zur Kinderwunschbehandlung in Zeiten von SARS-CoV-2Seit 1982 besteht mit dem Deutschen IVF-Register eine freiwillige Sammlung der Behandlungsdaten der reproduktionsmedizinischen Zentren Deutschlands, seit 1997 vollständig in elektronischer Form, wobei die Behandlungsdaten prospektiv erfasst werden. Im Spätherbst jeden Jahres werden die anonymisiert ausgewerteten Daten der Öffentlichkeit in Form des D·I·R-Jahrbuches vorgestellt. Das jeweilige Jahrbuch berichtet über die Behandlungsdaten bis zur klinisch nachweisbaren Schwangerschaft des Vorjahres, da aber auch die Schwangerschaftsverläufe und -ausgänge ausgewertet werden, enthält das Jahrbuch ebenfalls die hierzu gehörenden Daten des jeweiligen Vor-Vorjahres. Bis zum Jahr 2016 erfolgte ein jährlicher Export der Zentrumsdaten an das D·I·R zu einem festgelegten Datum, im Jahr 2017 wurde nach kompletter Überarbeitung des Datensatzes und der D·I·R-eigenen Erfassungssoftware DIRproNOVA® sowie mit Einführung der ARTbox® auch die Möglichkeit der Datenübertragung an das D·I·R umgestellt: Die Zentren haben nun die Möglichkeit, den Datenexport entweder manuell, also z. B. zu einem angegebenen Exportstichtag, auszulösen oder einen regelmäßigen automatischen Export, ggf. sogar täglich, durchzuführen. Damit ist das D·I·R nun in der Lage, auch kurzfristige Auswertungen zu aktuellen Themen durchzuführen. Auswertung März/April 2020Da die Folgen der SARS-CoV-2-Pandemie auch die IVF-Zentren vor noch nie dagewesene Probleme stellten und schnelle, richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden mussten, führte das D·I·R im Mai 2020 gemeinsam mit dem Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) eine erste Auswertung durch, an der sich spontan 72 Zentren an einer qualitativen Umfrage und 114 Zentren an einer quantitativen Umfrage durch einen aktuellen Datenexport der Monate Januar bis April beteiligten. Insbesondere wurden die Zentren gefragt, ob sie ein Verbot erhalten haben, neue Behandlungen zu starten, sich ein freiwilliges Gebot auferlegt haben, keine neuen Behandlungen zu starten, oder entsprechende organisatorische Maßnahmen in Kraft setzten und auch neue Zyklen starteten. QualitativIn Abbildung 1 zeigt sich, dass deutlich über die Hälfte (57 %) der antwortenden Zentren nach Umsetzung entsprechender protektiver Maßnahmen (Teamtrennung, Reduzierung der Aufenthalte im Zentrum durch vermehrte Telefon- und/oder Videosprechstunde) neue Zyklen gestartet haben. Allerdings wurden die Patientinnen darüber aufgeklärt, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine Informationen über einen möglichen Einfluss einer SARS-CoV-2-Infektion auf die Kinderwunschbehandlung, die Schwangerschaftsverläufe oder die Gesundheit der Kinder existierten, so dass in vielen Zentren den Paaren zu einer freeze-all-Strategie geraten wurde. Inwieweit die Paare diese Empfehlung umgesetzt haben, lässt sich aus dieser Auswertung aber nicht ersehen. Die 43 % (31/72) der Zentren, welche keine neuen Behandlungen während des ersten Lockdowns starteten, taten dies in 61 % (19/31) freiwillig (Schutz der Mitarbeiter und Patienten, unzureichende Daten über mögliche negative Einflüsse des Virus auf Kinderwunschbehandlung oder Schwangerschaftsverlauf). Bei 12 Zentren, welche keine neuen Behandlungen während des ersten Lockdowns starteten, erfolgte dies aufgrund eines Verbotes von übergeordneter Stelle. Die hiervon betroffenen Zentren waren zum überwiegenden Teil (92 %) an Universitätskliniken verortet und handelten auf Anordnung der jeweiligen Klinikvorstände, welche wiederum der Anordnung [1] des Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn, Folge leisteten. Weitere Informationen zu den 31 Zentren, welche im ersten Lockdown keine neuen Behandlungszyklen starteten, sind in Tabelle 1 dargestellt. Während mit 17 der 19 rückmeldenden Universitätskliniken 89 % derselben betroffen sind, gilt dies für einen vergleichsweise deutlich geringeren Anteil der Zentren im niedergelassenen Bereich (14 von 53 = 26 %). Weiterhin fällt auf, dass die durchschnittliche Dauer der Schließung mit 51 Tagen bei den universitären IVF-Zentren deutlich länger war als bei den IVF-Zentren im niedergelassenen Bereich (39 Tage). Die universitären Zentren sind also in zweierlei Hinsicht stärker von den Lockdown-Maßnahmen betroffen gewesen als die Zentren der niedergelassenen Kollegen: Erstens war der Anteil der betroffenen Zentren deutlich höher, zweitens die Dauer der Schließung deutlich länger. QuantitativAls Schwerpunktzeitraum der Schließungen sind die Monate März und April 2020 zu sehen. In diesem Zeitraum wurden insgesamt ca. 5500 Zyklen weniger gestartet als im Vergleichszeitraum des Jahres 2019 – relativ gesehen also ein Minus von einem knappen Drittel, wobei die universitären Kinderwunschzentren mit einem Minus von über 60 % besonders schwer betroffen waren. Die niedergelassenen Zentren wiesen ein Minus von knapp 30 % auf. Auswertung Gesamtjahr 2020Nach zwei weiteren Sonderauswertungen, die die Entwicklung aktualisierten, darunter eine Aktualisierung im D·I·R-Jahrbuch 2019, haben D·I·R-Vorstand und -Kuratorium Ende 2020 beschlossen, zeitnah eine Auswertung zu den Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf das gesamte Jahr 2020 durchzuführen, in welche die vollständigen Datenexporte der Anfang 2021 meldenden Zentren eingehen sollten. Die „Zyklusstichtage“ im Auswertungszeitraum 2019 und 2020 sollten erneut tageweise erfasst und nach regionalen Unterschieden, nach Unterschieden aufgrund der Art der Zentren und nach Frisch- und Kryozyklen ausgewertet werden. Am 20.01.2021 wurden die Daten aller Zentren, welche ab dem 01.01.2021 einen D·I·R-Export durchgeführt hatten, analysiert. Es konnten 113 Zentren (93 Praxen und 20 Unikliniken) in die Auswertung eingeschlossen werden. In Abbildung 2 sind alle Behandlungszyklen (Frisch und Kryo) nach Zyklusstichtagen in 2019 und 2020 dargestellt, ebenfalls die prozentualen Abweichungen im jeweilig angegebenen Vergleichszeitraum 2020 zu 2019. Klar ersichtlich ist auch hier wieder der beeindruckende, ca. 30 % betragende Rückgang der Behandlungszyklen während des ersten Lockdowns im März/April 2020. Bereits Anfang April begann der Wiederanstieg der Behandlungszahlen, ab Anfang Mai lag die Anzahl der Behandlungszyklen kontinuierlich über denen des Vorjahres, so dass für das Gesamtjahr 2020 trotz aller beschriebenen Einschränkungen die Gesamtzahl der Behandlungen in 2020 um 9,3 % gegenüber 2019 gestiegen ist. Der im Dezember zu beobachtende Rückgang der durchgeführten Behandlungen, welcher sowohl für 2019 als auch für 2020 ersichtlich ist, hängt nicht mit dem zweiten Lockdown zusammen. Vielmehr handelt es sich um eine Abbildung der Tatsache, dass die meisten Zentren über das Jahresende die Behandlungszahlen feiertags- und urlaubsbedingt entweder sehr deutlich zurückfahren oder die Behandlungen sogar für eine kurzen Zeit komplett einstellen. Abbildung 3 illustriert noch einmal die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zentren im niedergelassenen und universitären Bereich bezogen auf das Gesamtjahr 2020. Im Zeitraum März/April 2020 kam es überall zu einem deutlichen Rückgang der Behandlungszahlen, allerdings war dieser im Bereich der universitären Zentren sehr viel deutlicher ausgeprägt als in den niedergelassenen Praxen (61,6 % Rückgang Unis vs. 27,1 % Rückgang Praxen). Betrachtet auf das Gesamtjahr wurden die Rückgänge der Behandlungszahlen im März/April vor allem in den Praxen überkompensiert, bei den universitären Zentren lag die Anzahl der Behandlungen nur knapp oberhalb der von 2019. Interessant erscheint noch ein Blick auf die separate Anzahl der durchgeführten Frisch- und Kryozyklen in 2020 vs. 2019. Die Ergebnisse dieser Auswertung sind in Abbildung 4 dargestellt. Sowohl die Anzahl der Frischzyklen als auch die der Kryozyklen ist im Jahr 2020 deutlich gestiegen. Die Kryozyklen liegen allerdings mit 15,1 % Steigerung deutlich über dem Plus von 6,8 % bei den Frischzyklen. Diese überproportionale Steigerung könnte dadurch erklärt werden, dass ein substanzieller Anteil der Paare, welche die Kinderwunschtherapie trotz der großen SARS-CoV-2-bedingten Unklarheiten in Bezug auf die Sicherheit der Behandlung durchgeführt haben, dem Rat der Zentren für eine freeze-all-Strategie gefolgt sind und zunächst die gewonnenen Eizellen oder Vorkernstadien kryokonservieren ließen. In den Folgemonaten nach Aufhebung des ersten Lockdowns ist dann vermutlich zunächst auf diese Kryoreserve zurückgegriffen worden, was den starken Anstieg zumindest miterklären könnte. In der Zusammenfassung lässt sich somit feststellen, dass die ersten Auswertungen, welche die Akutreaktion am Anfang der SARS-CoV-2-Pandemie widerspiegelten und auf einen dramatischen Rückgang der Behandlungszahlen hindeuteten, sich bei Betrachtung des gesamten Jahres 2020 glücklicherweise für die Zentren, die Mitarbeiter und vor allem für die Patienten nicht bestätigt haben. Über die Gründe hierfür wurde bereits spekuliert [3], verschiedene Erklärungsmöglichkeiten wurden genannt: Einerseits sei in den privaten Haushalten trotz der Corona-bedingten Widrigkeiten vielfach mehr Geld vorhanden, es wurde auf privater Ebene nach Aussage der Bundesbank mehr gespart als im Jahr zuvor. Doch gibt es auf der anderen Seite auch Haushalte, die durch Kurzarbeit oder Kündigung zur Zeit deutlich weniger finanzielle Reserven aufweisen. Ein tatsächlich nachvollziehbarer Grund für die höhere Anzahl der Behandlungen ist das einfachere Zeitmanagement durch Homeoffice. Viele Patientinnen berichten darüber, dass sie momentan sehr viel einfacher Termine einrichten können, als wenn sie ihre Tätigkeit im Büro oder der Firma ausüben. Auch müssen Terminabsprachen nicht wie sonst häufig heimlich erfolgen, da der Schreibtischnachbar oder die Chefin nichts von der Kinderwunschbehandlung mitbekommen sollen. Dass es sich bei der Kinderwunschtherapie um ein Tabuthema handelt, ist bekannt. Wie groß die Erleichterung durch den Wegfall dieser Belastung ist und dass dies sogar zu einem Anstieg der Behandlungszahlen führen würde, war so aber nicht abzusehen. Die Einführung von Telefon- oder Videosprechstundenangeboten hat durch einen erleichterten Zugang ohne die Notwendigkeit einer oft weiten persönlichen Anreise sicher auch dazu beigetragen, die Behandlungszahlen zu steigern. Diese steigende Fallzahl zeigt, dass sich die Leistungserbringer in der Reproduktionsmedizin innerhalb kürzester Zeit erfolgreich auf die veränderten Bedingungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie eingestellt haben. Allerdings sollte das nicht zu verfrühtem Jubel verführen: Um dies zu erreichen und den betroffenen Paaren weiterhin trotz der Pandemie eine Behandlung ermöglichen zu können, mussten in Praxen und Kliniken teilweise große Investitionen getätigt werden, um die Telematik-Infrastruktur zu schaffen oder auszubauen oder entsprechende Hygienemaßnahmen in Wartebereichen, Sprechzimmern, Untersuchungs- und Behandlungsräumen und im Labor zu schaffen. Aus Sicht der betroffenen Patientinnen und Patienten ist es sicher positiv zu werten, dass zumindest in diesem Bereich der Medizin die Einstellung auf die Pandemiebedingungen relativ gut gelungen ist. InteressenkonfliktDie Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. OriginalitätDas hier vorliegende Manuskript wurde noch bei keinem anderen Journal publiziert oder zur Publikation angenommen und wurde zum Zeitpunkt der Einreichung beim Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie bei keiner anderen Zeitschrift eingereicht. Alle Autoren waren an der Arbeit beteiligt und haben ihr Einverständnis zur letzten Version gegeben. Literatur: 1. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/chronik-coronavirus.html Zugriff: 08.02.2021, 08:30 Uhr. 2. Czeromin U, Krüssel JS, Tandler-Schneider A, Blumenauer V, Fiedler K, Fehr D, Kupka M, Ott A, Gnoth C. Deutsches IVF-Register: Jahrbuch 2019. J Reproduktionsmed und Endokrinol 2020; 17: 199–239. 3. Brankovic M. Ihr Kinderlein, kommet! Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 31.01.2021; 4: 23.
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