Spreading Depolarization - Mensch - Tier
Abbildung 2: Vergleich zwischen epileptischer Anfallsaktivität und „Spreading
Depolarization“ in der Hirnrinde von Mensch und Nagetier. Messung der langsamen
Gleichstrompotenzialänderungen („direct current“ [DC]), auf denen schnelle
Potenzialänderungen („alternating current“ [AC]) reiten. In der Abbildung ist ein
relativ seltenes Ereignis dargestellt, bei dem epileptische Anfallsaktivität in eine
„Spreading Depolarization“ übergeht. Das Phänomen ermöglicht es dem Betrachter,
die Größe der DC-Änderungen unmittelbar zu vergleichen, die während epileptischer
Anfallsaktivität einerseits und „Spreading Depolarization“ andererseits
typischerweise auftreten. Dabei wird deutlich, dass die negative DC-Änderung im
Extrazellulärraum während „Spreading Depolarization“ ungefähr 5× größer ist als
die während epileptischer Anfallsaktivität. Dieses Verhältnis gilt im Prinzip auch
für alle anderen ionalen und Stoffwechseländerungen intra- und extrazellulär im
Hirngewebe, die während „Spreading Depolarization“ um ein Vielfaches größer
sind als während epileptischer Anfallsaktivität.
Die kleinen Zacken im AC-Signal, die während epileptischer Anfallsaktivität auf
dem DC-Potenzial reiten, entstehen als Folge der pathologischen Aktivität der
Nervenzellen, die während eines epileptischen Anfalls synchron und hochfrequent
Aktionspotenziale feuern. Die kleinen Zacken sind aber nicht die Aktionspotenziale
selbst, sondern entsprechen Summenpotenzialen im Extrazellulärraum,
die von postsynaptischen Potenzialen herrühren. Diese postsynaptischen
Potenziale sind eine mittelbare Folge der präsynaptisch fortgeleiteten Aktionspotenziale,
da die Aktionspotenziale präsynaptisch die Freisetzung von Botenstoffen
nach sich ziehen, die ihrerseits postsynaptische Potenziale hervorrufen.
Im Gegensatz zur epileptischen Anfallsaktivität ist die „Spreading Depolarization“
durch eine relativ glatte Linie gekennzeichnet, da die Nervenzellen während
„Spreading Depolarization“ ihre Fähigkeit verlieren, Aktionspotenziale zu generieren.
Deshalb entstehen auch keine postsynaptischen Potenziale mehr. Dieser Verlust
an Nervenzellaktivität wird als „Spreading Depression“ der neuronalen Aktivität
bezeichnet (besser zu sehen in Abbildung 1).
Die „Spreading Depolarization“ beim Menschen wurde mithilfe eines subduralen
Elektrodenstreifens aufgezeichnet. Der Patient hatte eine aneurysmatische Subarachnoidalblutung.
Der Elektrodenstreifen wurde nach Ligatur des Aneurysmas
durch den Neurochirurgen implantiert. Der gelbe Kreis im Computertomogramm
rechts markiert 2 Elektroden des Streifens an der Hirnoberfläche.
Die „Spreading Depolarization“ bei der Ratte wurde mit einer Mikroelektrode im
entorhinalen Kortex eines Hirnschnitts aufgezeichnet (Ableitort: gelber Kreis
rechts). Der Hirnschnitt wurde von künstlichem Liquor umspült, dem Magnesium
fehlte. In diesem Niedrigmagnesium-Modell kommt es typischerweise sowohl zu
epileptischer Anfallsaktivität als auch zu „Spreading Depolarizations“. Da diese
Messung nicht an der Hirnoberfläche sondern direkt in der Hirnrinde erfolgte, sind
die Potenzialänderungen markanter und etwas größer als die der In-vivo-Messungen
am Menschen oben in der Abbildung. In humanen Hirnschnitten, die nach
epilepsiechirurgischen Eingriffen zur Verfügung stehen, sind die in der Hirnrinde
gemessenen Amplituden von „Spreading Depolarizations“ allerdings ähnlich markant
und gleich groß oder sogar etwas größer als bei der Ratte [21]. Die Abbildung
der „Spreading Depolarization“ an der Ratte ist modifiziert nach [Dreier JP. Physiologische
und pharmakologische Eigenschaften der Niedrig-Magnesium-Epilepsie
im Temporallappenpräparat der Ratte. Dissertation, Universität zu Köln, 1993].
Keywords:
Epilepsie